
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
danke für Ihr erneutes Schreiben und die Erinnerung, bzw. Schlussfolgerung, ich hätte kein Interesse an einer Bürgeranfrage. […]
[…] Mich erreichen täglich sehr viele Bürgeranfragen sowohl telefonisch, postalisch oder auch durch persönliche Vorsprachen im Bürgerbüro.
Es ist mir sehr wichtig, diese Bürgeranfragen zu beantworten und mit den Menschen im Gespräch zu bleiben. Über Ihren „Dialog“ erhalte ich Anfragen, die gleichlautend an alle Abgeordneten gehen. Ich denke, eine gleichlautende Anfrage an alle berechtigt durchaus auch eine gleichlautende Antwort, mit meinen Kolleginnen und Kollegen abgestimmt. Sie haben im Namen der CSU Abgeordneten im Deutschen Bundestag eine ausführliche Antwort vom parlamentarischen Geschäftsführer Max Straubinger, MdB, erhalten, deren Inhalt ich mich anschließe.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Lanzinger, MdB

dialog-2015 an Barbara Lanzinger (MdB/CSU) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrte Frau Lanzinger,
vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Es ist leider notwendig, jeden Einzelnen der 631 Abgeordneten dieselbe Frage zu stellen, da es wie Sie sicherlich wissen, einer 2/3 Mehrheit des Bundestages bedarf, um einen Gesetzentwurf zur Erweiterung unseres repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen zu verabschieden.
Um persönliche Meinungen und Argumente für oder gegen mehr politische Einbindung des Wählers auf Bundesebene auch während der Legislaturperiode zu erhalten, betreiben wir den privaten finanziellen und zeitlichen Aufwand der Anschreiben und wechselseitigen Kommunikation. Die unterschiedlichen Ansichten und Argumente der Abgeordneten fließen aktuell in eine Modifizierung und Anpassung unseres geäußerten Vorschlages ein.
Mit dem Verweis auf die Antwort Ihres Fraktionskollegen Max Straubinger, MdB schlussfolgern wir, dass Sie sich gemeinsam mit der CSU Landesgruppe im Deutschen Bundestag für Volksentscheide auf Bundesebene einsetzen.
Wie Ihrem Fraktionskollegen auf sein Schreiben mitgeteilt, sehen auch wir die Notwendigkeit, dass bestimmte Gesetze und Rechtsgüter ausgegrenzt werden müssen. Hierzu zählen Haushalts- und Abgabengesetze, die Todesstrafe, die Grundrechte und Gesetze in Zusammenhang mit dem Schutz von Minderheiten. Auch die Gesetzbücher für Strafrecht (StGB), Handelsrecht (HGB) und Bürgerecht (BGB) sollten in ihrer Kompaktheit nicht antastbar sein.
Die von Ihrem Kollegen angeschnittene Thematik, dass die jüngere Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland belegt, dass eine Vielzahl von politischen Entscheidungen, welche der deutsche Bundestag getroffen hat, anfänglich bei der deutschen Bevölkerung unpopulär gewesen sind und erst Jahre später eine Akzeptanz gefunden haben, favorisiert augenscheinlich unseren Vorschlag.
Es ist unbestritten, dass die repräsentative Demokratie in unserem Land, ein durchdachtes und funktionales System darstellt. Die in diesem System getroffenen parlamentarisch politischen Entscheidungen, sind den gestellten Problemen der Zeit großenteils angemessen.
Unser Agieren liegt darin begründet, dass diese Entscheidungen dem Wahlvolk aber nicht mehr verständlich erklärt werden. Wegen der fehlenden Erklärungen, warum diese Entscheidungen getroffen werden, welche Vor- oder Nachteile sich daraus ergeben können und in welche Richtung sich unser Land bewegt, resigniert ein Großteil der Bevölkerung mit dem Argument, “…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…”.
Das wiederum führt zu Politik- und Wahlverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger, welche in politischen Kreisen mitunter auch als mangelnde politische Bildung des Volkes bezeichnet wird. Diesem für unsere Demokratie wie ein Pilzgewächs schadenden Prozess der Resignation, kann mit unserem Vorschlag zur politischen Einbindung des Wahlvolkes abgeholfen werden.
Kommt es zu einer Initiative bzw. einem Begehren auf Antrag des Volkes, ist dass ein klares Alarmzeichen an die Politik, in Sachen Erklärungsnotstand oder Nachbesserungsbedarf dringend zu handeln. Die Dauer des Begehrens schafft den politisch Handelnden ein gewolltes Zeitfenster. Diese gegebene Zeit muss durch die politische Elite unseres Landes dafür genutzt werden, dass Wahlvolk grundsätzlich über die Folgen der etwaigen Tangierung eines streitbaren Gesetzes aufzuklären. Die Politik ist gefordert Informationslücken zu schließen, oder entsprechende Nachbesserungen vorzunehmen, um dem Willen des Wahlvolkes entgegenzuwirken und somit das Erreichen eines Quorums und folglich das Zustandekommen eines Referendums abzuwenden. Versagt die Politik allerdings an dieser Stelle oder, was eher die Ausnahme sein wird, gibt es tatsächlich ein Gesetz oder Rechtsgut, welches dem Volk so schadet, dass ein Begehren das gesetzte Quorum erfüllt, muss die Konsequenz eines Referendums getragen werden.
Wir sind der Auffassung, dass es in den wenigsten Fällen tatsächlich zu einem Referendum kommen wird, da spätestens mit dem Aufleben eines Volksbegehrens, welches ein gesetztes Quorum erreichen könnte, das politische Gegensteuern beginnt.
Beide Seiten, also Wahlvolk und Politik, könnten sich durch die Erweiterung unserer repräsentativen Demokratie mit dem vorgeschlagenen plebiszitären Element wieder annähern. Der zwischenzeitlich in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft feststellbare Graben zwischen Politik und Bürgern würde sich so wieder anfangen zu schließen. Sobald es üblich wäre, dass die Bürger auch während der Legislaturperiode folgenreiche Sachentscheidung zu treffen haben und nicht nur alle paar Jahre Prokura für das Regierungsgeschäft erteilen, würden praktische politische Bildungswirkungen garantiert nicht ausbleiben, was im Umkehrschluss der als steril erregten politischen Kultur entsprechend gut täte.
Selbstverständlich sind verfassungsrechtliche Grenzen bei der Mitbestimmung des Wahlvolkes zu setzen und die Benachteiligung von Minderheiten ist durch Korrekturmöglichkeiten des streitbaren Gesetzes sowie ein integriertes mehrheitliches Abhilfebegehren auszuschließen. Auch die Hürde des Quorums wäre in vielerlei Hinsicht zu überdenken, um einerseits zu gewährleisten, dass Volksbegehren herbeiführbar bleiben, aber andererseits ein inflationärer und die Demokratie lähmender Gebrauch dieses direktdemokratischen Instruments grundsätzlich vermieden wird.
In Anbindung an die bisherige Korrespondenz mit Ihren Bundestagskolleginnen und Kollegen und den daraus resultierenden Meinungen, Anregungen und Kritiken, werden wir den unterbreiteten Vorschlag zu unserer Bürgeranfrage vom 27.05.2015 weiter modifizieren und voraussichtlich bis zum Ende des Monats einen Gesetzentwurf zur Ermöglichung eines fakultativen Referendums auf Antrag des Volkes, nebst entsprechender Kommentierung und rechtlicher Beurteilung zur Vorlage bringen.
Ihr Fraktionskollege Arnold Vaatz, MdB, ist von dem bisherig eingebrachten Vorschlag unserer Initiative angetan und hat zugesagt, nach dem Vorliegen und einer Sichtung der vorgenannten Unterlagen, die Thematik einer Erweiterung des repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen auf Bundesebene, einer Fraktionsdiskussion zuzuführen. Wir werden versuchen, diese Unterlagen so umfassend und fundiert aufzuarbeiten, dass die verschiedenen Meinungsbilder der Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen, parlamentarischen und demokratischen Gesichtspunkten entsprechend einfließen und somit eine offene Diskussion in Ihrer Fraktion zulassen.
Es wäre erfreulich, wenn Sie sich in Folge, aktiv in die avisierte Debatte mit Ihrem vorgenannten Fraktionskollegen einbinden.
Wir bedanken uns hierfür im Voraus und verbleiben
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 10.07.2015