
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
vielen Dank für Ihren Brief.
Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, dass der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel nicht alle an ihn gerichteten Zuschriften persönlich beantworten kann. Er hat mich gebeten, auf Ihre Nachricht zu antworten. […]
[…] Die SPD und auch Sigmar Gabriel persönlich unterstützen die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene. Dadurch sollen die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sowohl eigene Ideen/Vorschläge in Gesetze umzusetzen als auch vom Bundestag verabschiedete Gesetze zu revidieren.
Auf dem SPD-Parteitag in Berlin wurde am 4. Dezember 2011 der Leitantrag „Mehr Demokratie leben“ beschlossen. […]
Link Leitantrag: https://www.spd.de/21576/20111204_beschluss_demokratie.html
Mit freundlichen Grüßen aus dem Willi-Brandt-Haus
Achim Schreier, Parteivorstand

dialog-2015 an Dr. Volker Ullrich (MdB/CSU) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrter Herr Schreier,
vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Wir begrüßen es, wenn sich die SPD und auch Herr Sigmar Gabriel persönlich seit vielen Jahren für eine stärkere bürgerliche Einbindung in die für unser Land wichtige repräsentative Demokratie, einsetzt.
Die von Ihrer Partei in den vorangegangenen 23 Jahren eingebrachten Gesetzentwürfe sind uns bekannt. Das sich CDU und FDP im Jahr 2002 gegen den Gesetzentwurf gestellt haben, ist bedauerlich aber zwischenzeitlich in unserer schnelllebigen Zeit lang zurück liegende politische Geschichte.
Die für viele interessierte Bürgerinnen und Bürger weiterhin unbeantwortete Frage bleibt, warum der am 04.12.2011 beschlossene Leitantrag, welchen Sie freundlicherweise in Kurzfassung noch einmal aufgeführt haben, im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU des Jahres 2013 keine Berücksichtigung gefunden hat, zumal die CSU gleichfalls darstellt, aktiv für mehr direktdemokratischen Einfluss der Bürgerinnen und Bürger einzutreten.
Wäre es nicht gerade unter dem Gesichtspunkt einer vehement abnehmenden SPD-Wählerzustimmung, welche aktuell bei lediglich 23,5 Prozent liegt und einem Mitgliederschwund in den letzten 20 Jahren von über 40% empfehlenswert, den Leitantrag aus 2011 endlich in die Tat umzusetzen?
Im Jahr 2002 wäre der Gesetzentwurf trotz Regierungsmehrheit mit den Grünen spätestens im Bundesrat wegen der vormaligen dortigen CDU-Dominanz gekippt wurden. Zwischenzeitlich kann Ihre Partei im Bundesrat aber entsprechende Mehrheiten erreichen und hat auch im Koalitionsgefüge ein entsprechendes Machpotential gesichert.
Wir verstehen nicht, warum dem Reden Ihrer Partei kein aktives und wahrnehmbares Handeln folgt. Warum wirbt die SPD-Fraktion im Bundestag bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion nicht um einen Kompromiss für die Erweiterung unserer repräsentativen Demokratie mit plebiszitären Mitteln? Warum bestehen keine wahrnehmbaren Bestrebungen, unter Einbindung von LINKEN, BÜNDNIS GRÜNEN und der CSU, welche alle für mehr direkt demokratische Einbindung des Wahlvolkes werben, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, der eine 2/3 Mehrheit findet?
Dieses ausbleibende Handeln, seien Sie bitte nicht böse, wirkt auf das Wahlvolk plakativ, unehrlich und halbherzig. Das ist gefährlich!
Unser Bestreben basiert nicht zu Letzt auch unter Beachtung dieser Gefahr darauf, dass parlamentarisch politische Entscheidungen dem Wahlvolk nicht mehr verständlich erklärt werden. Wegen der fehlenden Erklärungen, warum diese Entscheidungen getroffen werden, welche Vor- oder Nachteile sich daraus ergeben können und in welche Richtung sich unser Land bewegt, resigniert ein Großteil der Bevölkerung mit dem Argument, “…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…”. Das wiederum führt zu Politik- und Wahlverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger, welche in politischen Kreisen auch als mangelnde politische Bildung des Volkes bezeichnet wird. Diesem für unsere Demokratie wie ein Pilzgewächs schadenden Prozess der Resignation, kann mit unserem Vorschlag zur politischen Einbindung des Wahlvolkes abgeholfen werden.
Kommt es zu einer Initiative bzw. einem Begehren auf Antrag des Volkes, ist dass ein klares Alarmzeichen an die Politik, in Sachen Erklärungsnotstand oder Nachbesserungsbedarf dringend zu handeln. Die Dauer des Begehrens schafft den politisch Handelnden ein gewolltes Zeitfenster. Diese gegebene Zeit muss durch die politische Elite unseres Landes dafür genutzt werden, dass Wahlvolk grundsätzlich über die Folgen einer Tangierung des streitbaren Gesetzes aufzuklären. Die Politik ist gefordert Informationslücken zu schließen, oder entsprechende Nachbesserungen vorzunehmen, um dem Willen des Wahlvolkes entgegenzuwirken und somit das Erreichen des Quorums und folglich das Zustandekommen eines Referendums abzuwenden. Versagt die Politik allerdings an dieser Stelle oder, was eher die Ausnahme sein wird, gibt es tatsächlich ein Gesetz oder Rechtsgut, welches dem Volk so schadet, dass ein Begehren das gesetzte Quorum erfüllt, muss die Konsequenz eines Referendums getragen werden.
Wir sind aber der Auffassung, dass es in den wenigsten Fällen tatsächlich zu einem Referendum kommen wird, da spätestens mit dem Aufleben eines Volksbegehrens, welches ein gesetztes Quorum erreichen könnte, das politische Gegensteuern beginnt. Beide Seiten, also Wahlvolk und Politik, könnten sich durch die Erweiterung unserer repräsentativen Demokratie mit dem vorgeschlagenen plebiszitären Element wieder annähern. Der zwischenzeitlich in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft feststellbare Graben zwischen Politik und Bürgern würde sich so wieder anfangen zu schließen. Sobald es üblich wäre, dass die Bürger auch während der Legislaturperiode folgenreiche Sachentscheidung zu treffen haben und nicht nur alle paar Jahre Prokura für das Regierungsgeschäft erteilen, würden praktische politische Bildungswirkungen garantiert nicht ausbleiben, was im Umkehrschluss der als steril erregten politischen Kultur entsprechend gut täte.
Selbstverständlich sind verfassungsrechtliche Grenzen bei der Mitbestimmung des Wahlvolkes zu setzen und die Benachteiligung von Minderheiten ist durch Korrekturmöglichkeiten des streitbaren Gesetzes sowie ein integriertes mehrheitliches Abhilfebegehren auszuschließen. Auch die Hürde des Quorums wäre in vielerlei Hinsicht zu überdenken, um einerseits zu gewährleisten, dass Volksbegehren herbeiführbar bleiben, aber andererseits ein inflationärer und die Demokratie lähmender Gebrauch dieses direktdemokratischen Instruments grundsätzlich vermieden wird.
In Anbindung an die bisherige Korrespondenz mit diversen Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen und den daraus resultierenden Meinungen, Anregungen und Kritiken, werden wir den unterbreiteten Vorschlag zu unserer Bürgeranfrage vom 27.05.2015 weiter modifizieren und voraussichtlich bis zum Ende des Monats einen Gesetzentwurf zur Ermöglichung eines fakultativen Referendums auf Antrag des Volkes, nebst entsprechender Kommentierung und rechtlicher Beurteilung zur Vorlage bringen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Arnold Vaatz, MdB, ist von den bisherig eingebrachten Vorschlag unserer Initiative nicht abgeneigt und hat darum gebeten, das wir entsprechende Unterlagen zusammenstellen und zugesagt, nach deren Vorliegen und Sichtung, die Thematik einer Erweiterung des repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen auf Bundesebene, einer Fraktionsdiskussion zuzuführen. Nicht zuletzt auch auf Grundlage der bisherig hier eingegangenen Antworten, werden wir diese Unterlagen versuchen, so umfassend und fundiert aufzuarbeiten, dass die verschiedenen Meinungsbilder der Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen, parlamentarischen und demokratischen Gesichtspunkten entsprechend einfließen und somit eine offene Diskussion zulassen. Diese für die CDU/CSU-Fraktion ausgearbeiteten Unterlagen werden wir auch den anderen Bundestagsfraktionen in der Hoffnung zur Verfügung stellen, dort ebenfalls eine fundierte Diskussion über die aufgeworfene Thematik anzuregen.
Wir würden uns freuen, wenn sich der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und der gesamte SDP-Parteivorstand in seinem Bestreben für eine Einbindung direktdemokratischer Elemente, an einer Debatte zu unserem Vorschlag beteiligt und vor allem die SPD-Fraktion im Bundestag animiert wird, zeitnah und aktiv zu handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

Rückantwort an dialog-2015 von Sigmar Gabriel (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrter Herr Beil,
vielen Dank für Ihre E-Mail, die uns am 13.07.2015 erreicht hat.
Für Ihr Vorhaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und kann nur auf die entsprechenden Aktivisten in der SPD verweisen, die sicher als Befürworter auftreten.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Willy-Brandt-Haus
Achim Schreier, SPD-Parteivorstand

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Quelle: dialog-2015 vom 13.07.2015