
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
herzlichen Dank für Ihr erneutes Schreiben vom 22. Juni 2015.
Mein Kollege Dr. Lars Castellucci (MdB) hat Ihnen bereits am 17. Juni 2015 im Namen der SPD-Bundestagsfraktion
für alle SPD-Abgeordneten geantwortet. Diesen Ausführungen schließe ich mich an. […]
[…] Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu den verschiedensten Themen erreichen mich tagtäglich. Fachspezifische Fragen zu den Bereichen Bildung und Forschung sowie Anschreiben aus meinem Wahlkreis beantworte ich alle persönlich, viele andere reiche ich an die zuständigen Fachleute weiter. Soweit mir bekannt, handhaben dies die meisten Kolleginnen und Kollegen im Bundestag ebenso. Desinteresse in Bezug auf Bürgeranfragen kann ich also nicht erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB

dialog-2015 an Dr. Ernst Dieter Rossmann (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,
vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Wir haben in unserem Schreiben vom 27.05.2015 erläutert, dass jeder der 631 Abgeordneten gebeten ist, auf Grund der Tatsache, dass es einer 2/3 Mehrheit des Bundestages bedarf um einen Gesetzentwurf zur Erweiterung unseres repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen zu verabschieden, auf unsere Bürgeranfrage zu antworten. Die persönlichen Meinungen und Argumente der Abgeordneten für oder gegen mehr politische Einbindung des Wählers auf Bundesebene auch während der Legislaturperiode, ist für uns hierbei ein maßgeblicher Punkt, da diese Antworten in eine Modifizierung und Anpassung unseres Vorschlages einfließen werden.
In unserem, wegen des Sachstandes von lediglich 39 eingegangenen Antworten am 22.06.2015 versendeten Erinnerungsschreiben, haben wir nicht dargelegt, dass Abgeordnete welche bis zum 13.07.2015 keine Reaktion zeigen, ein generelles Dessinteresse an Bürgeranfragen haben. Wir haben lediglich aufgeführt, dass wir dann annehmen müssen, dass kein Interesse an der Beantwortung unserer Bürgeranfrage und der Suche nach Lösungen besteht.
Da Sie sich aber der Meinung Ihres Fraktionskollegen Herrn Dr. Castellucci, MdB anschließen bleibt festzuhalten, dass wir es begrüßen wenn sich die SPD seit vielen Jahren für mehr plebiszitäre Elemente in unserer Demokratie, also eine stärkere bürgerliche Einbindung in die für unser Land wichtige repräsentative Demokratie, einsetzt. Sehr erfreut sind wir darüber, dass der unterbreitete Vorschlag unserer Initiative eine positive Tangierung findet, indem Sie sich der Ansicht Ihres Fraktionskollegen dahingehend anschließen, dass sich ein direktdemokratisches Verfahren in seiner Wirkung auch auf schon bestehende Gesetze beziehen kann.
Ihr Fraktionskollege führt auf, dass es ist immer leichter ist gegen etwas zu mobilisieren, als Mehrheiten für eine positive Vereinbarung zu überzeugen. Hierzu bleibt festzuhalten, wir mobilisieren nicht gegen etwas, sondern wir versuchen, Mehrheiten für eine positive Vereinbarung zu überzeugen und wir setzten auf Kompromisse. Unsere Meinung ist keinesfalls absolut, sondern wir befinden uns in einem fortlaufenden Meinungsfindungs- aber auch Lernprozess. Wir haben in den letzten Monaten sehr viel dazu gelernt und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass unsere repräsentative Demokratie ein durchdachtes und funktionales System darstellt. Wir haben feststellen müssen, wie schwer es ist, Demokratie zu leben und wir haben auch erfahren müssen, dass es noch schwerer ist, den Bürgerinnen und Bürgern, gelebte Demokratie und politisches Handeln zu vermitteln.
Unsere Bürgeranfrage basiert auf diesem vorgenannten Prozess. Sind wir anfänglich noch der Meinung gewesen, dass dem Wahlvolk nach Schweizer Vorbild, dass Recht eingeräumt werden sollte, bei jeder Gesetzverabschiedung mitzubestimmen, mussten wir im Laufe der Zeit feststellen, dass dieser Gedanke wenig zielführen ist und die eigentlichen von uns gesehenen Probleme dadurch nicht gelöst werden. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass wir zwischenzeitlich zu der Erkenntnis gekommen sind, dass die parlamentarisch politischen Entscheidungen den gestellten Problemen der Zeit großenteils angemessen sind.
Unser Agieren liegt darin begründet, dass diese parlamentarisch politischen Entscheidungen dem Wahlvolk aber nicht mehr verständlich erklärt werden. Wegen der fehlenden Erklärungen, warum diese politischen Entscheidungen getroffen werden, welche Vor- oder Nachteile sich daraus ergeben können und in welche Richtung sich unser Land bewegt, resigniert ein Großteil der Bevölkerung mit dem Argument, “…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…”. Das wiederum führt zu Politik- und Wahlverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger, welche in politischen Kreisen auch als mangelnde politische Bildung des Volkes bezeichnet wird. Diesem für unsere Demokratie wie ein Pilzgewächs schadenden Prozess der Resignation, kann mit unserem Vorschlag zur politischen Einbindung des Wahlvolkes abgeholfen werden.
Kommt es zu einer Initiative bzw. einem Begehren auf Antrag des Volkes, ist dass ein klares Alarmzeichen an die Politik, in Sachen Erklärungsnotstand oder Nachbesserungsbedarf dringend zu handeln. Die Dauer des Begehrens schafft den politisch Handelnden ein gewolltes Zeitfenster. Diese gegebene Zeit muss durch die politische Elite unseres Landes dafür genutzt werden, dass Wahlvolk grundsätzlich über die Folgen einer Tangierung des streitbaren Gesetzes aufzuklären. Die Politik ist gefordert Informationslücken zu schließen, oder entsprechende Nachbesserungen vorzunehmen, um dem Willen des Wahlvolkes entgegenzuwirken und somit das Erreichen des Quorums und folglich das Zustandekommen eines Referendums abzuwenden. Versagt die Politik allerdings an dieser Stelle oder, was eher die Ausnahme sein wird, gibt es tatsächlich ein Gesetz oder Rechtsgut, welches dem Volk so schadet, dass ein Begehren das gesetzte Quorum erfüllt, muss die Konsequenz eines Referendums getragen werden.
Wir sind aber der Auffassung, dass es in den wenigsten Fällen tatsächlich zu einem Referendum kommen wird, da spätestens mit dem Aufleben eines Volksbegehrens, welches ein gesetztes Quorum erreichen könnte, das politische Gegensteuern beginnt. Beide Seiten, also Wahlvolk und Politik, könnten sich durch die Erweiterung unserer repräsentativen Demokratie mit dem vorgeschlagenen plebiszitären Element wieder annähern. Der zwischenzeitlich in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft feststellbare Graben zwischen Politik und Bürgern würde sich so wieder anfangen zu schließen. Sobald es üblich wäre, dass die Bürger auch während der Legislaturperiode folgenreiche Sachentscheidung zu treffen haben und nicht nur alle paar Jahre Prokura für das Regierungsgeschäft erteilen, würden praktische politische Bildungswirkungen garantiert nicht ausbleiben, was im Umkehrschluss der als steril erregten politischen Kultur entsprechend gut täte.
Selbstverständlich sind verfassungsrechtliche Grenzen bei der Mitbestimmung des Wahlvolkes zu setzen und die Benachteiligung von Minderheiten ist durch Korrekturmöglichkeiten des streitbaren Gesetzes sowie ein integriertes mehrheitliches Abhilfebegehren auszuschließen. Auch die Hürde des Quorums wäre in vielerlei Hinsicht zu überdenken, um einerseits zu gewährleisten, dass Volksbegehren herbeiführbar bleiben, aber andererseits ein inflationärer und die Demokratie lähmender Gebrauch dieses direktdemokratischen Instruments grundsätzlich vermieden wird.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Arnold Vaatz, MdB, ist von den bisherig eingebrachten Vorschlag unserer Initiative nicht abgeneigt und hat darum gebeten, das wir entsprechende Unterlagen zusammenstellen und zugesagt, nach deren Vorliegen und Sichtung, die Thematik einer Erweiterung des repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen auf Bundesebene, einer Fraktionsdiskussion zuzuführen. Nicht zuletzt auch auf Grundlage der bisherig hier eingegangenen Antworten, werden wir diese Unterlagen versuchen, so umfassend und fundiert aufzuarbeiten, dass die verschiedenen Meinungsbilder der Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen, parlamentarischen und demokratischen Gesichtspunkten entsprechend einfließen und somit eine offene Diskussion zulassen. Diese für die CDU/CSU-Fraktion ausgearbeiteten Unterlagen werden wir auch den anderen Bundestagsfraktionen in der Hoffnung zur Verfügung stellen, dort ebenfalls eine fundierte Diskussion über die aufgeworfene Thematik anzuregen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich mit Ihren Erfahrungen und vor allem mit Ihrer positiven Meinung in Bezug auf die Einbindung direktdemokratischer Elemente an einer Diskussion beteiligen.
Wir danken vorab für Ihr Agieren und verbleiben
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 09.07.2015