
E-Mail an Frau Dr. Frauke Petry (AfD)
Demokratiekongress – Einladung AfD Fraktion
Sehr geehrte Frau Dr. Petry,
wir möchten uns bei Ihnen noch einmal persönlich für die Einladung zur Veranstaltung vom vorangegangenen Samstag zum Thema „Wieviel direkte Demokratie brauchen wir“ bedanken.
Positiv anzumerken ist, dass bei dieser Veranstaltung weder der Wahlkampf noch das Akquirieren von Stimmen eine Rolle gespielt hat, sondern es ausschließlich um das Sachthema der direkten Demokratie gegangen ist. […]
[…] Wir können nur hoffen, dass die Ausführungen der Gastredner, hier vor allem hervorzuheben die Rede des Prof. Dr. Patzelt, Ihr Gehör und das Ihrer Parteikollegen gefunden haben.
Vor allem die letzten Worte des Professors sollten ein dringender Appell an Ihre Partei sein.
Im Vordergrund des Agierens einer zum Wohl der Bevölkerung ausgerichteten bürgerlichen Oppositionspartei muss aktuell als oberstes wenn nicht gar einziges Wahlkampf- und Umsetzungsziel stehen, dass den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes mehr Gehör und vor allem mehr Mitspracherechte auf Bundesebene eingeräumt werden müssen.
Das Volk ist mündig und benötigt ein Sprachrohr, um dies unausweichlich den in Berlin agierenden Blockparteien nahe zu bringen.
Das Wahlprogramm Ihrer Partei zur letzten Bundestags- und Europawahl beinhaltete Fragmente zum Thema direkte Demokratie. Allerdings waren diese in gewissen Positionen zu kompakt und teilweise ein wenig populistisch gehalten und somit für viele Wählerinnen und Wähler nicht verständlich.
Wir selber erfahren in unseren Bemühungen in dieser Sache, wie schwierig es ist, den Bürgerinnen und Bürgern die Thematik Basisdemokratie in einfachen Worten nahe zu bringen, obwohl sich fast jeder in diesem Land nach mehr Mitsprache und Mitbestimmung sehnt.
Es wäre in diesem Zusammenhang wünschenswert, wenn sich Ihre Partei ihrer diesbezüglichen gesellschaftlichen Verantwortung vor allem als gefühlte Protestpartei bewusst wird und den Bürgerinnen und Bürgern versucht, in einfachen und verständlichen Worten nahezubringen, was die Gastredner in Ihrer Veranstaltung, wissenschaftlich unterlegt, bestätigt haben.
Unser Land benötigt in einer gesunden Form die direkte Demokratie.
Sowohl Herr Dr. Neumann als auch die Professoren Dr. von Arnim und Dr. Patzelt haben dargelegt, dass die aktuell vorgelebte Demokratie auf Bundesebene einen klaren Verstoß gegen die parlamentarischen Grundregeln und gegen die Verfassung unseres Landes darstellt. Herr von Arnim hat die Strukturen in unserem Parlament als kartellartige Einheitlichkeit der Parteien definiert.
Dies deckt sich mit den Ausführungen führender Staatsrechtler und Politikwissenschaftler in einer Veranstaltung zum Thema Wahlrecht am 11.05.2015 in Berlin, bei welcher wir zugegen waren und über die wir in unserem letzten Blog berichtet haben.
Ihre Partei wäre in der Lage, und das ausdrücklich nicht erst im Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl 2017, sondern unter Berücksichtigung der medialen Aufmerksamkeit und unter Nutzung ihrer bundesweiten Vernetzung bereits jetzt und heute, dem Volk zu erklären, dass die Möglichkeit der Mitbestimmung auf Bundesebene unter Einbeziehung des Drucks von unten, also vom Volk ausgehend, legal und mit demokratischen Mitteln ganz schnell geschaffen werden kann.
Ihre Partei ist über vorhandene Strukturen in der Lage, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes nahe zu bringen, dass es lediglich einer Gesetzentwurfseinlage in den Bundestag und einer 2/3-Mehrheit der Abgeordneten bedarf, um Volksentscheide auf Bundesebene umsetzen zu können.
Ihre Partei kann den Wählern erklären, dass sie als AfD diese 2/3-Mehrheit anstrebt, um so dem Volk mehr Mitbestimmung einzuräumen.
Allein der hierdurch aufgebaute Druck auf die aktuelle Parteienlandschaft in Berlin – oder besser ausgedrückt auf das aktuelle Parteienkartell – könnte dort zu einem schnellen Umdenken führen.
Herr Professor Patzelt hatte hierzu sehr treffend den Vergleich mit einem Folterinstrument gemacht, welches man dem Delinquenten nur vorzeigen muss, um diesen zu einem Handeln zu bewegen.
Um Wählerstimmen nach dem lauten „Ruf“ nach Volksentscheiden dann nicht an Ihre Partei zu verlieren, wäre es also gar nicht so abwegig, dass ein Gesetzentwurf für Volksentscheide in Folge zeitnah durch eine aktuell in Berlin vertretene Partei eingebracht wird und im Bundestag dann auch die notwendige 2/3-Mehrheit findet.
Die Lorbeeren würden trotzdem Ihrer Partei zufallen und wenn nicht, sehr geehrte Frau Dr. Petry, dann wäre die AfD durch eine mögliche Volksabstimmung vor der Wahl im Jahr 2017 zumindest in der Lage, mittels Referendum die undemokratische und fast diktatorisch anmutende 5%-Hürde in unserem Wahlrecht zu kippen und für faire Wahlen zu sorgen.
Es ist anzunehmen, dass ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger, auf jeden Fall aber die 7 Millionen, welche bei der letzten Wahl kleine Parteien gewählt haben, bei einem derartigen Referendum für eine Änderung des Wahlrechts stimmen.
Das wiederum würde ermöglichen, dass Ihre Partei mit den jetzigen Stimmen und denen, welche sie garantiert dazugewinnen wird, wenn die AfD maßgeblich dazu beiträgt, dass wir als Volk das legitimierte Recht erlangen, endlich mitbestimmen zu dürfen, in den Bundestag einzieht.
Über die Form der Volksabstimmung muss man sicherlich sprechen, vor allem um den Regierungsparteien ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Bundesinnenminister de Maizière hat mit Schreiben vom 21.04.2015 auf Anfrage unserer Initiative klar definiert, dass Volksentscheide seitens der CDU nicht gewollt sind.
Die Ausführungen von Frau Kipping, welche augenscheinlich eine Mogelpackung zum Thema Volksentscheide favorisiert, die den Linken und Bündnisgrünen, aber nicht dem Souverän die Macht der Mitbestimmung verschafft, können Sie unserer Website bei Bedarf auch entnehmen.
Wir haben bisher eine Mitbestimmung des Volkes so definiert, dass vor einer Gesetzverabschiedung das Volk im Zuge eines Referendums befragt werden muss. Das war für uns bisher ein schlüssiges Argument auch dafür, dass der Graben zwischen Politik und Volk so stückweise wieder geschlossen werden kann.
Diese Form der Mitbestimmung – und da muss man dem Bundesinnenminister de Maizière Recht geben – birgt Gefahren und würde auch, wie Herr Professor Patzelt dargelegt hat, die parlamentarischen Aktivitäten grundsätzlich in Frage stellen.
Bisher hatten wir keinen anderen Weg in diesem Zusammenhang gesehen.
Herr Professor Dr. Patzelt hat aber diesbezüglich am Samstag eine interessante These aufgestellt, welche viele Probleme demokratisch klären würde. Sein Vorschlag, den Volksentscheid von unten nach oben auf Grundlage eines obligatorischen gesetzabschaffenden Referendums zu ermöglichen, ist tatsächlich bei genauer Betrachtung für Volk und Regierende die effektivste und demokratischste Konstellation.
Das Volk ermöglicht, vorbehaltlich einer vorherigen Änderung des Wahlrechts, den regierenden und parlamentarischen Kräften, auf Bundesebene nach gleicher Verfahrensweise wie bisher zu regieren und Gesetze zu verabschieden.
Sind Gesetze nach Ansicht von Teilen des Volkes aber nicht praktikabel oder schaden diese gar der Gesellschaft, dann kann jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes nach freiem Ermessen ein Volksbegehren initiieren. Wird bei diesem Begehren eine entsprechende Anzahl von Stimmen in einem angemessenen Zeitraum zusammengetragen, der Professor sprach hier von 2,5 % der stimmberechtigten Bevölkerung, dann wäre dieses rechtsgültig und macht den Weg frei für ein Referendum.
Bei dem Referendum über die Beibehaltung oder die Abschaffung des betreffenden Gesetzes wird lediglich mit Ja oder Nein und einer einfachen Mehrheit abgestimmt.
Die Wahlbeteiligung am Referendum ist nicht maßgebend, da das Begehren zur Abstimmung mit einer entsprechenden Zustimmungsquote bereits geregelt ist.
Schon allein der Sachstand, dass Gesetze mittels eines Referendums durch das Volk gekippt werden können, würde die inhaltliche Qualität der Gesetzgebung maßgeblich zum Positiven ändern. Auch dieser Meinung des Professors schließen wir uns gern an.
Unsere Initiative wird versuchen, mit Herrn Professor Dr. Patzelt hierüber noch einmal persönlich zu sprechen. Wir würden uns erlauben, Sie in Folge über die Ergebnisse zu unterrichten.
Bleibt zusammenfassend die Hoffnung, dass sich Ihre Partei schnellstmöglich diszipliniert und auf die maßgebliche Position, welche dieses Land am dringendsten benötigt, ausrichtet.
Die angeblich wieder erstarkte FDP legt ihr liberales Augenmerk leider auf die Legalisierung von Cannabis, die Blockparteien haben kein Interesse etwas zu ändern, und andere Kleinparteien haben sich leider schon wieder mit innerparteilichen Streitigkeiten zerlegt. Also ruht automatisch ein Teil der Hoffnung der Bürgerinnen und Bürger auf einer Partei wie der Ihren, ohne, dass damit sofort Wählerstimmen verbunden sind.
Tragen Sie mit Ihrer Partei bitte Sorge dafür, dass den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes mehr demokratische Mitbestimmung eingeräumt wird, auch wenn Sie damit anderen politischen Ausrichtungen und Lagern vielleicht die Arbeit ein wenig abnehmen. Einer muss endlich auf demokratischer Grundlage damit anfangen.
Initiativen wie die unsere sind hierfür leider zu klein und können nur aufklären. Größere Bürgerbewegungen, wie aktuell auch in unserer Stadt unterwegs, verlaufen sich mitunter leider in Sachthemen, welche angreifbar und verwundbar machen.
Also bleibt nur der Weg über eine Partei, die tatsächlich etwas demokratisch verändern möchte.
Vielen Dank fürs Lesen.
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 18.05.2015