
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
Ich danke für Ihr Schreiben vom 27. Mai 2015. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich bei der großen Menge der eingehenden Post Ihrer Terminsetzung für eine Antwort nicht entsprechen könnte.
Die Weiterentwicklung demokratischer Strukturen ist ein wichtiges Thema- insbesondere mit dem Ziel einer stärkeren Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. Partei und Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen setzen sich intensiv mit dieser Aufgabenstellung auseinander. Sehen Sie bitte dazu den anliegenden Fraktionsbeschluss vom 19. März 2013 . […]
[…] Wir sehen allerdings bei den bestehenden Mehrheitsverhältnissen keine Chance und Bereitschaft, das Thema in einer parlamentarischen Initiative aufzugreifen und den von Ihnen unterbreiteten Vorschlag im Zusammenhang mit anderen Vorschlägen zu bewerten und entsprechend weiter zu verfolgen.
Ein ausführliches Eingehen auf den von Ihnen vorgetragenen Vorschlag in schriftlicher Form ist der Bedeutung der Sache nicht angemessen. Eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit der angesprochenen komplexen Materie kann vernünftig nur im direkten und persönlichen Austausch erfolgen. Dazu bitte ich Sie, sich an Ihren regionalen Abgeordneten wenden.
Mit den besten Grüßen
Dr. Thomas Gambke, MdB

dialog-2015 an Dr. Thomas Gambke (MdB/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrter Herr Dr. Gambke,
vielen Dank für Ihr Antwortschreiben.
Es ist erfreulich, dass Ihre Partei Bündnis 90/Die Grünen die Thematik direkte Demokratie, als Baustein einer modernen Demokratiepolitik definiert.
Irritiert sind wir allerdings über Ihre resignierend anmutende Ausführung, in Verbindung mit einer diesbezüglichen parlamentarischen Initiative. Wie Sie den bisherigen Antworten Ihrer Kollegen der Fraktionen von SPD und LINKEN, welche auf unserer Internetseite zur Einsichtnahme freigestellt sind, bei Bedarf entnehmen können, zeigt sich wie auch bei den CSU-Abgeordneten ein klares Interesse daran, plebiszitäre Elemente in das repräsentative Demokratiegefüge unseres Landes zu integrieren.
Entsprechend verstehen wir nicht, warum ein so wichtiges und mit Vorrang zu tangierendes Thema, mit der Argumentation von Mehrheitsverhältnissen unter den Tisch gekehrt werden soll. Helfen Sie bitte mit, Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CDU davon zu überzeugen, dass unsere Demokratie ohne eine baldige politische Einbindung des Bundesvolkes auch während der Legislaturperiode, ernsthaft gefährdet ist.
Das Bundesvolk kann auf Grundlage des Grundgesetzes durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt lediglich personell in Form seiner Volksvertreter wählen, welche dann alleinig im Volksauftrag über den gesamten Zeitraum der Legislaturperiode alle Sachentscheidungen treffen. Das Resultat dieser parlamentarischen Arbeit der gewählten Volksvertreter, geht jedoch in den letzten Jahren nicht mehr konform mit dem Verstehen des Bundesvolkes.
Es gehört zum Wesen der repräsentativen Demokratie, welche in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 65 Jahre einen festen Bestand hat, dass die unterschiedlichen Sachthemengebiete in zugehörigen Parlamentsausschüssen und Gremien von Fachleuten vor einer parlamentarischen Verabschiedung beraten werden. Aus einer mangelnden Einbindung des Bundesvolkes in diesen parlamentarischen sachthemenbezogenen Findungsprozess, ergibt sich ein immer größer werdender Identifikationsverlust der Bürger mit den in Folge getroffenen Sachentscheidungen. Der Bürger hat das Gefühl, dass Gemeinschaftsaufgaben dem Eigeninteresse der Parteien zum Opfer fallen sowie Macht und Geld im Vordergrund stehen und nicht das Wohlergehen des Staates und der Wähler.
Da im Zuge getroffener parlamentarisch politischen Sachentscheidungen dem Wahlvolk nicht mehr verständlich erklärt wird, welche Vor- oder Nachteile sich hieraus ergeben und in welche Richtung sich der Staat bewegt, resigniert ein Großteil des Bundesvolkes mit dem Argument, “…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…”. Das wiederum führt zu einer zunehmenden Politik- und Wahlverdrossenheit des Bundesvolkes, welche in politischen Kreisen auch als mangelnde politische Bildung bezeichnet wird und gipfelt in zunehmenden Zukunfts- und Existenzängsten der Bevölkerung. Dieser fortschreitende und sich durch alle Bevölkerungsschichten ausbreitende Prozess von Resignation und Angst gefährdet die Demokratie, vernichtet die damit verbundenen Wertvorstellungen und stellt die politische Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland in Frage.
In Anbindung an die bisherige Korrespondenz mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen und den daraus resultierenden Meinungen, Anregungen und Kritiken, werden wir den unterbreiteten Vorschlag zu unserer Bürgeranfrage vom 27.05.2015 entsprechend modifizieren und voraussichtlich bis zum Ende des Monats einen Gesetzentwurf zur Ermöglichung eines zweistufigen Volksgesetzgebungsverfahren aus der Mitte des Volkes und eines fakultativen Referendums auf Antrag des Volkes nebst entsprechender Kommentierung und rechtlicher Beurteilung zur Vorlage bringen.
Die entsprechenden Unterlagen werden in Folge nochmalig an alle Bundestagsabgeordneten in der Hoffnung übermittelt, auf deren Grundlage nach der Parlamentspause eine fundierte Diskussion anregen zu können.
Mit der CDU-Fraktion, stehen wir auf Grund der Blockadehaltung dieser Partei in Bezug auf die Einbindung plebiszitärer Elemente, in gesondertem Kontakt. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Arnold Vaatz, MdB, ist von dem bisherig eingebrachten Vorschlag unserer Initiative nicht abgeneigt. Er hat zugesagt, nach dem Vorliegen der vorgenannten Unterlagen und deren Sichtung, die Thematik einer Erweiterung des repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen auf Bundesebene, einer Fraktionsdiskussion zuzuführen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich nach Zusendung des Gesetzentwurfes im Rahmen Ihrer bisherigen Bemühungen nach mehr direktdemokratischen Einfluss des Wahlvolkes auf Bundesebene, in eine etwaig neu angeregte Diskussion integrieren und für eine diesbezügliche Mehrheit im Parlament kämpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 16.07.2015