
Schreiben an 631 Bundestagsabgeordnete
„Dresdner Entwurf“
Sehr geehrte(r) Frau/Herr …,
wie Ihnen sicherlich noch in Erinnerung ist, haben wir alle 631 Bundestagsabgeordneten mit persönlichen Schreiben vom 27.05.2015 um eine Antwort in Bezug auf einen eingebrachten Vorschlag zum Thema sachunmittelbare Demokratie gebeten.
Der damalige Vorschlag, auf den dankenderweise 116 Bundestagsabgeordnete ein Meinungsbild abgegeben haben, thematisierte den Sachstand einer Entfernung des Bundesvolkes vom Staat und seinen Institutionen. […]
[…] Diesem Problem, so die Meinung unserer Initiative, muss aus Gründen der Bestandsfähigkeit und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland dringend durch eine stärkere Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem Staat und seinen Institutionen entgegengetreten werden.
Der aus unserer Sicht hierzu einzig gangbare Weg, was nicht zuletzt auch die hier eingegangenen Antworten Ihrer werten Kolleginnen und Kollegen bestätigen, ist es, dringend (!) Regelungen sachunmittelbarer Demokratie auf Bundesebene einzuführen.
Basierend auf den Aktivitäten unserer Initiative in den vorangegangenen Monaten, welche neben zahlreichen Gesprächen mit Kommunal-, Landes- und Bundespolitikern, Gedankenaustauschen mit Politikwissenschaftlern und Verfassungsrechtlern, Besuchen unterschiedlicher politischer Veranstaltungen, wechselseitiger Korrespondenz mit verschiedenen politischen Akteuren auch das Beiwohnen an öffentlichen Ausschusssitzungen mit einschließt, wurde auf Grundlage aller gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes unter der Bezeichnung „Dresdner Entwurf“ erarbeitet.
Der „Dresdner Entwurf“, diesem Schreiben beigefügt als Anlage, welchen wir auch allen anderen 630 Abgeordneten des Deutschen Bundestages zeitgleich postalisch übersenden, beinhaltet die Einführung eines Volksgesetzgebungsverfahrens und eines fakultativen Referendums auf Antrag des Volkes und des Bundestages und soll einer diesbezüglich überfälligen Diskussion, welche der Verfassungsgeber und die Väter des Grundgesetzes wissenschaftlich belegt bereits vor nunmehr 66 Jahren vorgesehen haben, den dringend nötigen Impuls geben.
Wie Ihnen bekannt ist, hat sich der Verfassungsgeber nach dem Ende des 2. Weltkrieges zunächst dazu entschlossen, in der Bundesrepublik Deutschland die Instrumente der unmittelbaren Demokratie in Sachfragen in das Grundgesetz nur dem Grundsatz nach („Abstimmungen“, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) aufzunehmen, diese aber noch nicht konkret auszugestalten. Der damalige parlamentarische Rat, ersatzweise die Mütter und Väter des Grundgesetzes, haben ganz bewusst die „Abstimmung“ trotz entsprechender Anträge nicht aus Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes gestrichen, da die Entscheidung über eine weitere Konkretisierung der sachunmittelbaren Demokratie zunächst späteren Generationen überlassen bleiben sollte.
Um dieser überfälligen Konkretisierung einen – wohl nötigen – Impuls zugeben, hat die Bürgerinitiative dialog-2015 den als „Dresdner Entwurf“ bezeichneten Gesetzentwurf mit juristisch-wissenschaftlicher Unterstützung im Rahmen der absolut notwendigen Bestimmungen erarbeitet und mit der Zielstellung definiert, dass die 631 Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit einer notwendigen 2/3-Mehrheit nach eingehender Diskussion und einer notwendigen Detailregelung seitens der politischen Gremien zu Initiativen und Referenden in einem notwendigen Ausführungsgesetz eine Änderung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beschließen.
Wir hoffen, dass die materiellen und immateriellen Mühen und Aufwendungen unserer Initiative von Ihnen und den 630 anderen Mitgliedern des Deutschen Bundestages entsprechend gewürdigt werden und der „Dresdner Entwurf“ zur Änderung der bundesdeutschen Verfassung, welcher im Übrigen auch 10 führenden Verfassungs- und Politikwissenschaftlern mit der Bitte um fachliche Stellungnahme zugesandt wurde, auf breiter Ebene noch in diesem Jahr im Bundestag einer fraktionsübergreifenden Debatte zugeführt wird.
Anzumerken bleibt auch, dass es in allen Parteien der Bundesrepublik Deutschland laut aktuellen repräsentativen Umfragen mindestens eine 2/3-Mehrheit der Parteianhängerschaft gibt, welche einer Grundgesetzänderung in Bezug auf eine Entscheidungseinbindung des Bundesvolkes zustimmen würde.
Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn konservative Menschen in diesem unserem Land mit Blick auf die Stabilität von Staat und Gesellschaft eine moderate demokratische Entwicklung befürworten und somit den sich überall aufzeigenden radikalen gesellschaftlichen Veränderungen entschlossen entgegentreten.
Auf dieser Ebene bewegen auch wir uns mit der Einbringung des „Dresdner Entwurf“.
Wir dürfen Sie als Vertreter des deutschen Volkes somit herzlich auffordern, Ihrer Verantwortung bewusst diesen Prozess konstruktiv unterstützend zu begleiten und entsprechend zu handeln.
In diesbezüglicher Hoffnung, wieder von Ihnen zu hören, verbleiben wir
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 08.09.2015