
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
für Ihr Schreiben vom 27. Mai 2015 danke ich Ihnen. Gegenstand ist die Einbeziehung der Bürger unseres Landes in das politische Geschehen auf Bundesebene. Aus Ihrer Sicht wäre die Einführung gesetzabschaffender Referenden die Lösung. […]
[…] Sie führen aus, dass ein solches Referendum, anders als Volksentscheide weniger Angriffsfläche für Populisten böte und auch keinen direkten Eingriff in die Arbeit der Parlamentarier darstellen würde.
[…]
Mit freundlichen Grüßen
Gitta Connemann, MdB

dialog-2015 an Gitta Connemann (MdB/CDU) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrte Frau Connemann,
vielen Dank für Ihre ausführliche und sehr persönliche Beantwortung der Bürgeranfrage vom 27.05.2015. Ihre Rückmeldung zeigt, dass ein zielführender Dialog zwischen Bürgern und Bundespolitikern entgegen einem weit verstreuten Meinungsbild auf sachlicher Ebene möglich ist, auch wenn bisher ausschließlich Bundestagskollegen aus der CDU/CSU-Fraktion auf unser Anliegen eingegangen sind und auf die 631 Anfragen bisher lediglich 6 Antworten vorliegen. Aber wie sagt man so schön, es ist noch nicht aller Tage Abend und auch noch ein wenig Zeit bis zum 16.06.2015.
Ohne Wenn und Aber gehen wir mit Ihrer Meinung konform, dass Bürgerbeteiligung keinesfalls die Grundprinzipien einer modernen Demokratie einschränken dürfen. Aus diesem Grund definieren wir den Volksentscheid auf Bundesebene auch als Ergänzung zur gelebten repräsentativen Demokratie in unserem Land.
Selbstverständlich verfolgt der angestrebte Volksentscheid auf Bundesebene das Ziel, dass jeder einzelne wahlberechtigte Bürger unseres Landes durch einen Volksentscheid auf Bundesebene mit seiner Stimme einen direkten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen kann.
Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken wurden in Verbindung mit dem Thema Volksentscheide auf Bundesebene in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 30.06.2009 zum Lissabon-Vertrag aufgegriffen. Allerdings wollen wir in diesem Zusammenhang nicht auf die Ebene verfassungsrechtlicher Ansichten und Urteile aufsteigen. Aus unserer Sicht wird das Verfassungsgericht ohnehin aktuell in zu viele politische Sachentscheidungen einbezogen, was letztendlich der Demokratie in unserem Land eher schadet als nutzt.
Wenn zwischen Politik und Souverän ein Kompromiss gefunden wird, der die gelebte repräsentative Demokratie dem aktuellen Zeitgefüge anpasst, dann dürfte es egal sein, dass die Verfassung und das Grundgesetz einer Veränderung unterzogen werden müssen. Nichts ist für die Ewigkeit und die Formen der gelebten Demokratie sind auch nicht in Stein gemeißelt, sondern müssen sich den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen, sonst laufen sie Gefahr, irgendwann etwaig gar diktatorisch wahrgenommen zu werden.
Wir haben Ihren Fraktionsvorsitzenden Herrn Dr. Tauber, der ebenfalls so freundlich war, auf unsere Anfrage bereits zu antworten, auf dessen Ausführungen, welche inhaltlich mit den Ihrigen weitestgehend konform gehen, mitgeteilt, dass die Politik keine Angst davor haben muss, dass auf Basis des eingebrachten Vorschlages Referenden zustande kommen, welche sich auf Gesetze der Vergangenheit beziehen werden. Auch könnte man hier Modifizierungen vornehmen, welche entsprechend einschränken.
Uns geht es um ein Sicherungsventil für die Zukunft. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das Antwortschreiben an Ihren Fraktionsvorsitzenden, welches bei Bedarf unserer Internetseite entnommen werden kann.
Sollte es wirklich jemals dazu kommen, dass bei Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen ein Volksbegehren auf den Weg gebracht wird, welches ein gesetzabschaffendes Referendum nach sich ziehen soll, bleibt insofern gerechtfertigt, genügend Zeit, politisch argumentativ gegenzusteuern. Das würde dann auch den Graben zwischen politischem Wollen und bürgerlichem Verstehen schließen.
Auch gehen wir davon aus, dass allein schon das Wissen der politischen Elite, dass der Souverän im Fall der Fälle verabschiedete Gesetze wieder abschaffen kann, dafür Sorge trägt, dass der qualitative Inhalt und Nutzen von Gesetzen und Verordnungen nicht der Parteidisziplin oder dem Koalitionsfrieden zum Opfer fällt.
Damit erlauben wir uns vorerst zu verabschieden und verbleiben
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 03.06.2015