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Antwort Gustav Herzog (MdB/SPD) - Gesetzesabschaffendes Referendum
Antwort Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum – Foto: © Gustav Herzog

Gesetzesabschaffendes Referendum

Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief

Sehr geehrter Herr Beil,

besten Dank für Ihre Anfrage von 27. Mai. Ich begrüße das gesellschaftspolitische Engagement Ihrer Initiative und das Streben nach mehr Bürgerbeteiligung.

Zu Ihrer konkreten Fragen: […]

[…]

Mit freundlichen Grüßen aus Berlin

Gustav Herzog, MdB

Antwort Gustav Herzog (MdB/SPD) - Gesetzesabschaffendes Referendum
Antwort Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum

dialog-2015 an Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum

Sehr geehrter Herr Herzog,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Grundsätzlich entnehmen wir dieser, dass Sie der Thematik gesetzabschaffender Referenden offen gegenüber stehen, insofern Beteiligung und Quorum eine entsprechende Beachtung finden um soziale Spaltungen zu vermeiden.
Das stimmt uns grundsätzlich sehr positiv. Dafür vielen Dank.
Wir interpretieren die von Ihnen aufgeführte Gefahr einer sozialen Spaltung so, dass der aktuell noch wählende Bürger, welcher politisch als gebildet und dem bürgerlichen Mittelfeld zuordenbar analysiert wird, den bildungsfernen und von der bürgerlichen Mitte abrückenden Nichtwähler, durch Volksentscheide ins soziale Abseits drängen könnte.
Dieses Problem sehen wir nicht. Viele der Nichtwähler sind zwischenzeitlich der gut gebildeten bürgerlichen gesellschaftlichen Mitte zu zurechnen.
Allerdings nehmen diese Nichtwähler Politik als Parallelwelt wahr, welche nicht beeinflussbar ihren Kreis am Horizont zieht.
Die Auswirkungen auf unsere demokratischen Strukturen sind aktuell, aber nicht nur im Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger feststellbar. Das wissen, sehen und hören unsere politischen Entscheidungsträger täglich.
Das Problem, Politik wird für den Bürger nicht mehr verständlich erklärt und der Souverän hat das Gefühl, dass politische Entscheidungen ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen werden. Das macht den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Angst, weil Politik nicht mehr greifbar ist.
Wegen der fehlenden Erklärungen, warum politische Entscheidungen getroffen werden, welche Vor- oder Nachteile sich daraus ergeben können und in welche Richtung sich der Zug bewegt, resigniert ein Großteil der Bevölkerung mit dem Argument, „…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…“.
Die Politiker wiederum zeigen sich über ein derartiges Bürgerverhalten verwundert, verärgert und oft auch beleidigt, da sie der Meinung sind, tagtäglich alles zum Wohl des Volkes zu tun.
Letztgenanntes ist für einen Teil Ihrer Kolleginnen und Kollegen auch zutreffend (angemerkt, nicht für alle), aber eine Abgeordneteninternetseite, diverse monatliche Bürgersprechstunden und vereinzelte öffentliche Auftritte reichen nicht aus, um dem Volk Politik und deren Ziele erklärbar zu machen.
Die Abgeordneten des Bundestages werden an dieser Stelle allein gelassen, da auch unsere Medien hier zwischenzeitlich komplett versagen. Vor allem der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten, in diesem Zusammenhang entsprechend zu agieren, wird nicht erfüllt.
Die Lücke oder besser definiert der Graben zwischen Volk und Politik ist zwischenzeitlich so groß, dass Journalisten und Medien gar nicht mehr in der Lage sind, diesen zu schließen.
Politik vermittelt spätestens seit Beginn der Finanz- und Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 den Eindruck einer Hetzjagd und einer Hochhausbaustelle, deren Architekten und Statiker das Handtuch geworfen haben, aber trotzdem mit Hochdruck weiter Etage auf Etage gebaut wird, in der Hoffnung, das Bauwerk kippt nicht um.
Dieser Eindruck führt zusammen mit einem gewaltigen Informationsdefizit zu dieser für Politiker nicht begreifbaren Unzufriedenheit der Bürger, welche ersatzweise auch Politikverdrossenheit genannt wird.
Fragt man die Bürgerinnen und Bürger, warum sie unzufrieden sind, bekommt man aber in den wenigsten Fällen eine Antwort. Oftmals sind es kleinkarierte Probleme, die eigentlich nichts mit der großen Politik zu tun haben, oder Scheinprobleme, die vom Hören und Sagen anderer herrühren. Aber, was fast jeder aus dem bürgerlichen Lager bestätigt, die Angst vor der Zukunft ist allgegenwärtig. Angst davor, dass unsere politischen Akteure Fehler machen und Politik nur noch für einige wenige gemacht wird und am Volk vorbei läuft.
Ja und dort liegt das Problem. Diese Angst basiert darauf, dass wir als Volk nichts mehr erklärt bekommen. Wir haben seit Jahren das Gefühl, stetig vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
Die Internetseite der Bundeskanzlerin reicht für Erklärungen nicht aus, die Facebook-Seite der Bundesregierung kann als lustiger Versuch gewertet werden, eine Verfolgung des tagaktuellen politischen Geschehens auf der Webseite des Deutschen Bundestages ist mit einem Zeitaufwand verbunden, den niemand betreiben kann, und die Berichterstattung von Journalisten basiert auf deren individueller Wahrnehmung und weniger auf den tatsächlichen Gegebenheiten.
Zu guter Letzt fehlt es an charismatischen Führungspersönlichkeiten, welche dem Souverän das Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Weitsicht geben.
Also, auch wenn man unterstellt, dass die Politik der großen Koalition für unser Land und unsere Zukunft gut ist, versteht diese Politik ein Großteil des Volkes nicht mehr.
Wir mussten darüber schmunzeln, als in den letzten Tagen medial verbreitet wurde, dass die Bundestagsparteien gemeinsam mit der FDP eine Offensive gegen die Wahlverdrossenheit der Bundesbürger einleiten und man beabsichtige, die Briefwahl zu vereinfachen.
Das ist blanker Opportunismus und wird überhaupt nichts ändern.
Unsere Demokratie ist ernsthaft gefährdet und die Politik ist gefordert, hier gegenzusteuern, aber bitte doch nicht mit solch einem Quatsch wie einer Vereinfachung der Briefwahl. Wer hat sich bloß so etwas ausgedacht.
Sie als Politiker müssen begreifen, dass die Demokratie nur gerettet werden kann, wenn man die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wieder mehr einbindet.
Eine Einbindung nach dem Schweizer Vorbild, darüber besteht Einigkeit, ist nicht umsetzbar. Fest steht auch, dass die Strukturen der repräsentativen Demokratie in unserm Land grundsätzlich passen und hier eigentlich auch keine Veränderungen, sondern lediglich Anpassungen notwendig sind.
Was dringend angepasst werden muss, ist einerseits der wechselseitige (!) Informationsfluss zwischen Volk und Politik. Vergessen Sie aber bitte in diesem Zusammenhang die aktuelle Offensive der Bundesregierung mit dem Thema „Gut Leben in Deutschland“. Dass grenzt genau so an einen schlechten Scherz wie die vorgenannte Briefwahlmodifizierung.
Auf Grund der Tatsache, dass es immer mehr Berufspolitiker mit fehlenden alltagsberuflichen und basisorientierten Erfahrungen im Parlament gibt, politische Entscheidungen aber immer kompakter und unkalkulierbarer werden, muss zum anderen zusätzlich ein „Sicherungsventil“ eingebaut werden, was eine Korrektur gemachter Fehler ohne parteipolitisches und parlamentarisches Planspiel zulässt.
Beide Positionen würde ein gesetzabschaffendes Referendum ohne Probleme in sich vereinen.
Versteht das Volk bestimmte Entscheidungen nicht, kommt es zum Begehren. Das Begehren ist dann ein Alarmzeichen an die Politik, in Sachen Erklärungsnotstand oder Nachbesserungsbedarf dringend zu handeln. Versagt die Politik an dieser Stelle oder wurde, was eher die Ausnahme (!) sein wird, tatsächlich ein Gesetz oder Rechtsgut verabschiedet, welches dem Volk so stark schadet, dass ein Begehren das hohe Quorum erfüllt, muss die Konsequenz eines Referendums in Kauf genommen werden.
Über die Höhe des Quorums und da sind wir wieder bei Ihnen, kann man sich unterhalten. Zu hoch sollte es allerdings nichts sein, da sonst der gewollte wechselseitige Effekt zwischen Bürgern und Politik Gefahr läuft, verloren zu gehen.

Damit verbleiben wir, in der Hoffnung auf einen weiteren Dialog zu diesem Thema

Mit freundlichen Grüßen

Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

Antwort von dialog-2015 an Gustav Herzog (MdB/SPD) - Gesetzesabschaffendes Referendum
Antwort von dialog-2015 an Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum

Gustav Herzog (MdB/SPD) an dialog-2015 – Gesetzesabschaffendes Referendum

Sehr geehrter Herr Beil,

herzlichen Dank für Ihre erneute und sehr ausführliche Antwort an Herrn Gustav Herzog MdB.
Herr Herzog würde den Dialog zwischen Ihrer Initiative bzw. Ihnen und ihm selbst, sehr gerne auf seiner Homepage veröffentlichen. Nun ist meine Frage, ob Sie damit einverstanden wären.

Besten Dank im Voraus und

Viele Grüße
Jxxxx Lxxxxxxx
Büro Gustav Herzog, MdB

Rückantwort Gustav Herzog (MdB/SPD) - Gesetzesabschaffendes Referendum
Rückantwort Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum

dialog-2015 an Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum

Sehr geehrter Herr Leifheit,

selbstverständlich kann Herr Gustav Herzog die wechselseitige Korrespondenz veröffentlichen.

Wir würden uns darüber sogar sehr freuen.
Richten Sie Herrn Herzog bitte unseren Dank aus, da er als einziger der 193 SPD-Abgeordneten bisherig die Zeit gefunden und aus unserer Sicht auch den Mut bewiesen hat, ein persönliches Statement auf unser Bürgeranfrage abzugeben.
Wir haben am heutigen Tag ein Schreiben des Abgeordneten Herrn Dr. Castellucci erhalten, welches inhaltlich ein wenig enttäuscht. In diesem Schreiben, dass in Folge auf unserer Internetseite veröffentlich wird, definiert Herrn Dr. Castellucci sich als Sprecher für die gesamte SPD-Bundestagfraktion.
Unabhängig der Tatsache, dass sich die gesamte SPD-Fraktion augenscheinlich für eine Erweiterung des repräsentativen Demokratiegefüges einsetzt, was allerdings auch Fragen aufwirft, die in unserem Antwortschreiben an Herr Dr. Castellucci konkretisieren werden, wurde ausdrücklich jeder einzelne Abgeordnete darum gebeten, auf den konkretisierten Vorschlag des gesetzabschaffenden Referendums mit einer persönlichen Meinung einzugehen.
Demokratie zeichnet sich doch gerade durch unterschiedliche Meinungsbilder aus, welche über einen Dialog, wenn möglich, zielführend einen Kompromiss zugeführt werden sollen. Eine „Sammelantwort“ erwirkt aber genau das Gegenteil.
Es ist Schade, dass augenscheinlich Herr Herzog bisherig als einziger Angeordneter der SPD-Fraktion verstanden hat, dass sich hier Bürgerinnen und Bürger, welche nicht politisch aktiv sind Gedanken machen, wie man ein gefühltes Zerbrechen unserer demokratischen Errungenschaften verhindern kann. Jeder einzelne Abgeordnete ist gefordert, sich an diesem gesuchten Dialog zu beteiligen und eben nicht hinter einem kollegialen Meinungsbild zu verstecken.
Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben Angst, aber das erwähnten wir in unserem vorherigen Schreiben bereits.
Wir werden die 594 Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen, welche nicht auf unser Schreiben geantwortet haben, in der kommenden Woche postalisch an eine ausstehende Antwort erinnern und hoffen, dass sich auch die Fraktionskolleginnen und Fraktionskollegen des Herrn Herzog dann mit einer persönlichen Meinungen und Gegenvorschlägen äußern. Wir geben gern einen weiteren Euro für jedes Mahnschreiben aus der privaten Schatulle dazu, um Antworten zu erhalten, welche sachdienlich sind, einen Dialog auf breiter Front zu eröffnen.

In positiver Hoffnung verbleiben wir

Mit freundlichen Grüßen

Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

Rückantwort dialog-2015 an Gustav Herzog (MdB/SPD) - Gesetzesabschaffendes Referendum
Rückantwort dialog-2015 an Gustav Herzog (MdB/SPD) – Gesetzesabschaffendes Referendum

Link zum Beitrag:

Quelle: dialog-2015 vom 15.06.2015


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