
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
danke für Ihr Schreiben vom 27.05.2015. Gerne begründe ich meine Haltung zu einem gesetzabschaffenden Referendum.
Meine Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion haben bereits viele gute Argumente vorgetragen, denen ich mich anschließen möchte. […]
[…] Die Erfahrungen von Volksabstimmungen zeigen, dass es oft zu einer Polarisierung der Meinungen und wenig zum Dialog zwischen den Positionen kommt. Die Abstimmung über Erhalt oder Abschaffung eines Gesetzes reduziert die Gestaltungsmöglichkeiten und führt zu einer Konfrontation. Stattdessen sollten die vielfältigen Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten (Anhörungen, Petitionsausschuss etc.) betont werden. Dadurch werden Möglichkeiten geschaffen, sich aktiv in das politische Geschehen auf Bundesebene einzubringen. Daher lehne ich die Einführung von gesetzabschaffenden Referenden ab.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Karl Schiewerling, MdB

dialog-2015 an Karl Schiewerling (MdB/CDU) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrter Herr Schiewerling,
danke für Ihre Rückantwort.
Es erschließt sich aus Ihrem Schreiben leider nicht, auf welchen Erfahrungen von Volksabstimmungen Sie einen entsprechenden Erkenntnisstand aufbauen. Sollte sich dieser auf die Weimarer Republik beziehen, bitten wir unsere diesbezüglich frei zugänglichen Antworten an Ihre Kolleginnen und Kollegen zu berücksichtigen. Die Weimarer Republik liegt über 80 Jahre zurück!
Zum Thema des Petitionsausschuss haben wir Ihrem Fraktionskollegen Herrn Vietz mit Antwort vom 15.06.2015 bereits dargelegt, dass eine Petition kein ausreichendes Instrument darstellt.
Nun haben Sie zusätzlich die Möglichkeit der Anhörung aufgeführt, um sich als normaler Bürger dieses Landes aktiv in das politische Geschehen auf Bundesebene einzubringen. In § 70 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages heißt es zur Anhörung unter anderem: „Zur Information über einen Gegenstand seiner Beratung kann ein Ausschuss öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vornehmen. Bei überwiesenen Vorlagen ist der federführende Ausschuss auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder dazu verpflichtet; bei nicht überwiesenen Verhandlungsgegenständen im Rahmen des § 62 Abs. 1 Satz 3 erfolgt eine Anhörung auf Beschluss des Ausschusses. Die Beschlussfassung ist nur zulässig, wenn ein entsprechender Antrag auf der Tagesordnung des Ausschusses steht. […] Der Ausschuss kann in eine allgemeine Aussprache mit den Auskunftspersonen eintreten, soweit dies zur Klärung des Sachverhalts erforderlich ist. Hierbei ist die Redezeit zu begrenzen. Der Ausschuss kann einzelne seiner Mitglieder beauftragen, die Anhörung durchzuführen; dabei ist jede im Ausschuss vertretene Fraktion zu berücksichtigen. Zur Vorbereitung einer öffentlichen Anhörung soll der Ausschuss den Auskunftspersonen die jeweilige Fragestellung übermitteln. Er kann sie um Einreichung einer schriftlichen Stellungnahme bitten.“
Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen sind der Meinung, dass nur noch bildungsnahe Bürgerschichten aktiv am demokratischen Geschehen unseres Landes teilnehmen. Auch wenn wir diesbezüglich anderer Meinung sind, bleibt festzuhalten, dass auch nicht jeder bildungsnahe Bürger ein Volljurist ist. Das Instrument der Anhörung, wegen Darlegung als Lobbyarbeit auch Hearing genannt, ist definitiv kein bürgerliches Einbindungsinstrument.
Der Verweis auf Petitionsausschüsse und Anhörungen löst das Grundproblem der Polit- und Wahlverdrossenheit und des allen vorausgehenden Grundübels eines wechselseitigen Informationsdefizites leider nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 17.06.2015