
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
vielen Dank für Ihre Erinnerung vom 22.06.2015 zu Ihrer Anfrage zur Möglichkeit eines gesetzesschaffenden Referendums. […]
[…] Sie haben dazu datierend vom 10.06.2015 eine Antwort der CSU-Landesgruppe von Parl. Geschäftsführer Max Straubinger, MdB erhalten, der ich mich vollumfänglich anschließe.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Albsteiger, MdB

dialog-2015 an Katrin Albsteiger (MdB/CSU) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrte Frau Albsteiger,
vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Wir freuen uns darüber, dass Sie sich gemeinsam mit der CSU Landesgruppe im Deutschen Bundestag für Volksentscheide auf Bundesebene einsetzen. Wie Ihrem Fraktionskollegen Max Straubinger, MdB auf sein Schreiben mitgeteilt, sehen auch wir die Notwendigkeit, dass bestimmte Gesetze und Rechtsgüter ausgegrenzt werden müssen. Hierzu zählen Haushalts- und Abgabengesetze, die Todesstrafe, die Grundrechte und Gesetze in Zusammenhang mit dem Schutz von Minderheiten. Auch die Gesetzbücher für Strafrecht (StGB), Handelsrecht (HGB) und Bürgerecht (BGB) sollten in ihrer Kompaktheit nicht antastbar sein.
Die von Ihrem Kollegen angeschnittene Thematik, dass die jüngere Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland belegt, dass eine Vielzahl von politischen Entscheidungen, welche der deutsche Bundestag getroffen hat, anfänglich bei der deutschen Bevölkerung unpopulär gewesen sind und erst Jahre später eine Akzeptanz gefunden haben, favorisiert augenscheinlich unseren Vorschlag.
Es ist unbestritten, dass die repräsentative Demokratie in unserem Land, ein durchdachtes und funktionales System darstellt. Die in diesem System getroffenen parlamentarisch politischen Entscheidungen, sind den gestellten Problemen der Zeit großenteils angemessen.
Unser Agieren liegt darin begründet, dass diese parlamentarisch politischen Entscheidungen dem Wahlvolk aber nicht mehr verständlich erklärt werden. Wegen der fehlenden Erklärungen, warum diese Entscheidungen getroffen werden, welche Vor- oder Nachteile sich daraus ergeben können und in welche Richtung sich unser Land bewegt, resigniert ein Großteil der Bevölkerung mit dem Argument, “…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…”.
Das wiederum führt zu Politik- und Wahlverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger, welche in politischen Kreisen mitunter auch als mangelnde politische Bildung des Volkes bezeichnet wird. Diesem für unsere Demokratie wie ein Pilzgewächs schadenden Prozess der Resignation, kann mit unserem Vorschlag zur politischen Einbindung des Wahlvolkes abgeholfen werden.
Kommt es zu einer Initiative bzw. einem Begehren auf Antrag des Volkes, ist dass ein klares Alarmzeichen an die Politik, in Sachen Erklärungsnotstand oder Nachbesserungsbedarf dringend zu handeln. Die Dauer des Begehrens schafft den politisch Handelnden ein gewolltes Zeitfenster. Diese gegebene Zeit muss durch die politische Elite unseres Landes dafür genutzt werden, dass Wahlvolk grundsätzlich über die Folgen der etwaigen Tangierung eines streitbaren Gesetzes aufzuklären. Die Politik ist gefordert Informationslücken zu schließen, oder entsprechende Nachbesserungen vorzunehmen, um dem Willen des Wahlvolkes entgegenzuwirken und somit das Erreichen eines Quorums und folglich das Zustandekommen eines Referendums abzuwenden. Versagt die Politik allerdings an dieser Stelle oder, was eher die Ausnahme sein wird, gibt es tatsächlich ein Gesetz oder Rechtsgut, welches dem Volk so schadet, dass ein Begehren das gesetzte Quorum erfüllt, muss die Konsequenz eines Referendums getragen werden.
Wir sind der Auffassung, dass es in den wenigsten Fällen tatsächlich zu einem Referendum kommen wird, da spätestens mit dem Aufleben eines Volksbegehrens, welches ein gesetztes Quorum erreichen könnte, das politische Gegensteuern beginnt.
Beide Seiten, also Wahlvolk und Politik, könnten sich durch die Erweiterung unserer repräsentativen Demokratie mit dem vorgeschlagenen plebiszitären Element wieder annähern. Der zwischenzeitlich in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft feststellbare Graben zwischen Politik und Bürgern würde sich so wieder anfangen zu schließen. Sobald es üblich wäre, dass die Bürger auch während der Legislaturperiode folgenreiche Sachentscheidung zu treffen haben und nicht nur alle paar Jahre Prokura für das Regierungsgeschäft erteilen, würden praktische politische Bildungswirkungen garantiert nicht ausbleiben, was im Umkehrschluss der als steril erregten politischen Kultur entsprechend gut täte.
Selbstverständlich sind verfassungsrechtliche Grenzen bei der Mitbestimmung des Wahlvolkes zu setzen und die Benachteiligung von Minderheiten ist durch Korrekturmöglichkeiten des streitbaren Gesetzes sowie ein integriertes mehrheitliches Abhilfebegehren auszuschließen. Auch die Hürde des Quorums wäre in vielerlei Hinsicht zu überdenken, um einerseits zu gewährleisten, dass Volksbegehren herbeiführbar bleiben, aber andererseits ein inflationärer und die Demokratie lähmender Gebrauch dieses direktdemokratischen Instruments grundsätzlich vermieden wird.
Ihr Fraktionskollege Arnold Vaatz, MdB, welcher von den bisherig eingebrachten Vorschlag nicht abgeneigt ist, hat darum gebeten, das wir entsprechende Unterlagen zusammenstellen und zugesagt nach deren Vorliegen und Sichtung, die Thematik einer Erweiterung des repräsentativen Demokratiegefüges mit plebiszitären Elementen auf Bundesebene, einer Fraktionsdiskussion zuzuführen. Nicht zuletzt auch auf Grundlage der bisherig hier eingegangenen Antworten, werden wir diese Unterlagen versuchen, so umfassend und fundiert aufzuarbeiten, dass die verschiedenen Meinungsbilder der Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen, parlamentarischen und demokratischen Gesichtspunkten entsprechend einfließen und somit eine offene Diskussion zulassen.
Es wäre erfreulich, wenn Sie sich in Folge aktiv in die avisierte Diskussion mit Ihrem vorgenannten Fraktionskollegen einbinden.
Wir bedanken uns hierfür im Voraus und verbleiben
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 09.07.2015