Prof. Dr. Klaus Mathis » Sachverständigenmeinung

Universität Luzern, Professor für Öffentliches Recht und Recht der nachhaltigen Wirtschaft, Geschäftsleiter des CLS

„Dresdner Entwurf“

Sehr geehrter Herr Professor Mathis,

wir möchten Sie aus aktuellem Anlass darüber informieren, dass die Bürgerinitiative dialog 2015 am 08.09.2015 unter der Bezeichnung „Dresdner Entwurf“ einen juristisch und verfassungsrechtlich geprüften Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zur Einführung eines Volksgesetzgebungsverfahrens und eines fakultativen Referendums auf Antrag des Volkes und des Bundestages an alle 631 Bundestagsabgeordneten versendet hat.
Eine Fassung des „Dresdner Entwurfes“ ist diesem Anschreiben als Anlage beigefügt. […]

[…] Die Bürgerinitiative dialog-2015 thematisiert seit Monaten mit unterschiedlichen Aktivitäten den Sachstand einer Entfernung des Bundesvolkes vom Staat und seinen Institutionen. Anliegen der Bürgerinitiative dialog-2015 ist es, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dahingehend zu sensibilisieren, dass vor allem wegen der aktuellen komplexen nationalen, europäischen und globalen Entwicklungen die Bestandsfähigkeit und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland dringend durch eine stärkere Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem Staat und seinen Institutionen gesichert werden muss.
Ein wachsender Unmut des Bundesvolkes über innen-, europa- und außenpolitische Entscheidungen der gewählten Vertreter des Deutschen Bundestages erzeugt wahrnehmbare Spannungen in allen Gesellschaftsschichten und stellt eine zunehmende Gefährdung der demokratischen Werte und des europäischen Gedankens dar.
Daraus resultierend sieht der „Dresdner Entwurf“ vor, dringend Regelungen sachunmittelbarer Demokratie in Form eines Gesetzinitiativrechtes des Volkes (Volksbegehren) und eines Gesetzbeschlussrechtes (Volksentscheid) auf Bundesebene einzuführen, wie es dieses in den deutschen Bundesländern bereits gibt und eine Staatspraxis somit auch entsprechend vorhanden ist.
Der Gesetzentwurf sieht die grundsätzliche Trennung von zwei vollkommen anders gearteten Gruppen der sachdirekten Demokratie vor und trennt strikt zwischen Initiativen, bei denen die Vorlage aus der Mitte des Volkes stammt, und Referenden, bei denen die Vorlage von Repräsentationsorganen (Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung) erarbeitet wurde.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges hat sich der Verfassungsgeber in der Bundesrepublik Deutschland zunächst dazu entschlossen, die Instrumente der unmittelbaren Demokratie in Sachfragen in das Grundgesetz nur dem Grundsatz nach („Abstimmungen“, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) aufzunehmen, diese aber noch nicht konkret auszugestalten.
Der damalige parlamentarische Rat, ersatzweise die Mütter und Väter des Grundgesetzes, haben ganz bewusst die „Abstimmung“ trotz entsprechender Anträge nicht aus Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes gestrichen, da die Entscheidung über eine weitere Konkretisierung der sachunmittelbaren Demokratie zunächst späteren Generationen überlassen bleiben sollte.
Nunmehr, d.h. 66 Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes, ist es nicht zuletzt in Anbindung an die aktuelle politische Gesamtlage an der Zeit, die vom Verfassungsgeber vorgesehene Diskussion im Bundestag fortzuführen.
Um dieser Diskussion einen – wohl nötigen – Impuls zugeben, hat die Bürgerinitiative dialog 2015 den als „Dresdner Entwurf“ bezeichneten Gesetzentwurf mit juristisch-wissenschaftlicher Unterstützung im Rahmen der absolut notwendigen Bestimmungen erarbeitet und mit der Zielstellung definiert, dass die 631 Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit einer notwendigen 2/3-Mehrheit nach eingehender Diskussion und einer notwendigen Detailregelung seitens der politischen Gremien zu Initiativen und Referenden in einem notwendigen Ausführungsgesetz, eine Änderung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beschließen.
In allen Parteien der Bundesrepublik Deutschland gibt es laut aktuellen Umfragen mindestens eine 2/3-Mehrheit der Parteianhängerschaft, welche einer Grundgesetzänderung in Bezug auf eine Entscheidungseinbindung des Bundesvolkes zustimmen würde.
Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn konservative Menschen in diesem unserem Land mit Blick auf die Stabilität von Staat und Gesellschaft eine moderate demokratische Entwicklung befürworten und somit den sich überall aufzeigenden radikalen gesellschaftlichen Veränderungen entschlossen entgegentreten.
Auf dieser Ebene bewegen auch wir uns mit der Einbringung des „Dresdner Entwurfes“.
Wir bitten Sie nunmehrig auf Grundlage Ihrer verfassungsrechtlichen Fachkompetenz im Rahmen des öffentlichen und politischen Interesses um Ihre geschätzte Stellungnahme zu dem vorgenannten Gesetzentwurf („Dresdner Entwurf“). Diese Stellungnahme würden wir anschließend gern den geforderten politischen Akteuren ergänzend zuführen und die breite Öffentlichkeit über Ihr kritisches Meinungsbild informieren.

In positiver Erwartung einer die Brisanz der Thematik auch zeitlich beachtenden Rückantwort verbleiben wir bereits jetzt herzlich dankend

Mit freundlichen Grüßen

Reiko Beil
Initiative dialog-2015

Dresdner Entwurf - Anschreiben Sachverständigenmeinung - dialog 2015
„Dresdner Entwurf“ – Sachverständigenmeinung – dialog 2015

Link zum Beitrag:

Quelle: dialog-2015 vom 08.09.2015


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