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Prof. Dr. Werner J. Patzelt - Institut für Politikwissenschaft Technische Universität Dresden
Prof. Dr. Werner J. Patzelt – Institut für Politikwissenschaft (Technische Universität Dresden) – Foto: Oliver Riebl / Presseclub Dresden

E-Mail an Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Demokratiekongress Dresden – Wieviel direkte Demokratie brauchen wir?

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Patzelt,

Sie waren so freundlich, mit mir nach einem kurzen persönlichen Gespräch am vorangegangenen Samstag in Anbindung an den Kongress „Wieviel Demokratie brauchen wir?“ und Ihren diesbezüglich vortrefflich gehaltenen Vortrag beiderseitig die Kontaktdaten mit dem bekundeten Interesse an einer Rückmeldung auszutauschen. […]

[…] Da Sie garantiert auf Grund Ihrer medialen Präsenz sehr stark eingebunden sind und am Samstag von den Kongressteilnehmern bildlich umringt waren, noch einmal kurz zu meiner Person.
Ich gehöre der Initiative dialog-2015 an, welche aus der sogenannten „Gruppe der 14“, einer Bürgerbewegung aus PEGIDA-Sympathisanten und Kritikern sowie bisher nicht politisch aktiven Bürgern Anfang Januar diesen Jahres hervorgegangen ist.
Unsere Initiative versucht über eine stetige Kontaktaufnahme mit der Bundespolitik das Thema der direkten Demokratie durch Volksentscheide auf Bundesebene voranzutreiben und Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes einen demokratischen Weg dahin aufzuzeigen.
Sie können sich mit Ihren Erfahrungen vorstellen, dass dies für normale Bürger, aus welcher sich unsere Initiative zusammensetzt, ein steiniger, zeitintensiver und auch kostspieliger Weg ist.
Dessen ungeachtet sind wir der Meinung, dass dringend etwas getan werden muss, um die Demokratie in unserem Land im Interesse aller Menschen, die hier leben, aufrecht zu halten und diese nicht zu einem parteipolitischen Instrument verkommen zu lassen.
Ich selbst habe Anfang März auf einer PEGIDA-Kundgebung gesprochen und versucht, die anwesenden Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass Schelte und Schmährufe gegen Politik und Presse für Veränderungen nicht ausreichen.
Dafür habe ich kein unbedingtes Lob erhalten und wurde nebst unserer Initiative durch das Organisationsteam der PEGIDA als nicht ansichtskonform öffentlich angeprangert.
Dessen ungeachtet konnte unsere Initiative auch unter Mithilfe eines diesbezüglich teilweise einseitig und nicht genau recherchierten journalistischen Begleiteffektes mit einem Besuch in Berlin für einige Aufregung und eine gewisse Hysterie bei diversen politischen Ausrichtungen sorgen.
Wir haben es mit einigem „Medienrummel“ geschafft, Fragen an die Bundespolitik zu stellen und diese in Folge auch beantwortet bekommen.
Auf unserem Weg durch die politischen Instanzen und dem nachträglichen fortlaufenden gesellschaftlichen und politischen Agieren haben wir erhebliche Ungereimtheiten feststellen müssen, welche den Willen unserer Initiative bestärkt haben mitzuhelfen, die Mitbestimmung der mündigen Bürgerinnen und Bürger an der Politik unseres Landes auf Bundesebene zur Durchsetzung zu bringen.
Unsere Internetseite, welche als Blog unter dem Initiativnamen dialog-2015.de geführt wird, gibt umfangreich Auskunft über die Aktivitäten der letzten Wochen und Monate und analysiert eigene Empfindungen und Erlebnisse ohne journalistischen Bezugspunkt.
Da wir als nächste Aktion ein persönliches postalisch zugestelltes Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten zum Thema direkte Demokratie planen, um deren aktuellen persönlichen Standpunkt zum Thema Volksentscheide auf Bundesebene zu hinterfragen, erlaube ich mir vorab, diese Zeilen an Sie zu richten.
Bis zu Ihrem Vortrag an vorangegangenen Samstag hat unsere Initiative den Standpunkt vertreten, dass direkte Demokratie als politisches Instrument so aufgebaut sein muss, dass vor einer Gesetzverabschiedung das Volk im Zuge eines Referendums befragt werden muss. In dieser Gangweise haben wir bisher aus unserer Sicht schlüssig den Bezugspunkt zur Basisdemokratie definiert und gleichzeitig darin die Möglichkeit gesehen, den fühlbaren Graben zwischen politischem Handeln und bürgerlichem Verstehen zu schließen.
Diesbezügliche bisherige Reaktionen aus der Bundespolitik waren allerdings eher ernüchternd.
Die Ansicht der politischen Elite auf den Punkt gebracht, nämlich dass wir als Volk symbolisiert zu unerfahren oder krasser ausgedrückt zu dumm sind, um politische Entscheidungen zu treffen, hat der Bundesinnenminister de Maizière in einem Antwortschreiben zur expliziten Frage unserer Initiative, wie sich die Bundesregierung zum Thema Volksentscheide positioniert. Das Schreiben steht Ihnen bei Bedarf auf unserer Internetseite im Archiveintrag vom 21.04.2015 zu Verfügung.
Der Innenminister stellt seine Ausführungen vor allem auf die Komplexität von Gesetzen und politischen Entscheidungen ab, die man im Zuge eines Volksentscheides nicht mit Ja oder Nein abstimmen könne. Auch gab er zu bedenken, dass eine derartige Form von Basisdemokratie Populisten aller Ausrichtungen Tür und Tor öffnet.
Wir haben uns bisherig sehr schwer getan, hierfür eine richtige Gegenargumentation zu finden, da gewisse Ansätze der Ausführungen des Innenministers nicht vollumfänglich widerlegbar sind.
Nachdem unsere Initiative bereits am 11.05.2015 in der Friedrich-Ebert-Stiftung einer Fachtagung zum Thema „Wahlen und Demokratie“ den Ausführungen Ihrer wissenschaftlichen hochkarätigen Kollegen nebst diversen Staats- und Verfassungsrechtlern beiwohnen durfte und nicht alle wissenschaftlichen Ausführungen in ihrer Komplexität dem Bürger verständlich weitergeben konnte, haben Sie mit Ihrer These, den Volksentscheid von unten nach oben auf Grundlage eines obligatorischen gesetzabschaffenden Referendums zu ermöglichen, eine andere Sichtweise des Themas Volksentscheide angeschoben.
Diese These gibt auch gegenüber den Ausführungen des Innenministers, hinter welcher sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zahlreiche Abgeordnete verschanzen werden, ein plausibles und umsetzbares Demokratiemodell ab.
Da wir aber keine Politikwissenschaftler sind, bitte ich Sie um die Möglichkeit eines diesbezüglichen persönlichen Gespräches in kleinerer Runde. Vielleicht finden Sie die Zeit, die bisherig eingestellten Blogs auf unserer Seite zu lesen. Vieles wird Ihnen auf Grundlage ihrer wissenschaftlichen Arbeit bekannt vorkommen, manchem werden Sie widersprechen und manches wird vielleicht aus dem Blickwinkel unserer Initiative eine andere Sichtweise ergeben.
Es würde mich freuen, wenn Sie vielleicht sogar im Beisein des einen oder anderen Ihrer Kommilitonen die Zeit finden, darüber zu sprechen, ob das was wir aktuell initiieren, sinnvoll und richtig ist und wie wir möglicherweise das Thema der direkten Demokratie auf Grundlage Ihrer Gesichtspunkte effizienter nach außen tragen können.

Ich hoffe, Sie finden die Zeit und die Möglichkeit zu einem zeitnahen Gespräch.

Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen zu hören und verbleibe vorerst

Mit freundlichen Grüßen

Reiko Beil
dialog-2015

Email von dialog-2015 (Reiko Beil) an Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Email von dialog-2015 (Reiko Beil) an Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Link zum Beitrag:

Quelle: dialog-2015 vom 19.05.2015


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