
Gesetzesabschaffendes Referendum
Abgeordnetenanfrage – persönlicher Brief
Sehr geehrter Herr Beil,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27. Mai 2015, in der Sie sich mit der Einführung eines gesetzabschaffenden Referendums auseinandersetzen.
Die Diskussion zu diesem Thema ist auch für mich nicht neu; immer wieder wird die Forderung nach einer Gesetzgebung unmittelbar durch das Volk laut. […]
[…] Es gibt sehr gute Gründe für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Volksabstimmungen, wie etwa die Aktivierung staatsbürgerlichen Bewusstseins oder die Wirkung der öffentlichen Meinung als Ergänzung zur Meinungsbildung in den Parteien. Dennoch teile ich die von Ihnen erläuterten Bedenken des Bundesministers des Inneren, Herrn Dr. Thomas de Maizière, MdB.
Plebiszitäre Formen der Staatswillensbildung stellen gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren kein „Mehr“ an Demokratie dar. Gegenüber der Notwendigkeit zur Reduzierung komplexer Sachfragen auf Ja-Nein-Alternativen im Plebiszit bietet das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein größeres Maß an Verfahrensrationalität, Interessenausgleich und Gelegenheit zum Kompromiss. Wenn im Bund plebiszitär entschieden wird, endet der Föderalismus. Gegen das Verfassungsgebot, dass die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken, würde offensichtlich verstoßen.
Insbesondere sehe ich die Gefahr von populistischen Einflüssen bei einem gesetzabschaffenden Referendum als sehr groß an, da die Entscheidung über komplexe Sachthemen und die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Regulierung nicht einfach der wechselnden Stimmung in der Bevölkerung unterworfen werden können. Dies würde populistische Strömungen in unserem Land befeuern. Gesetze sind nicht nur anhand von Popularität als sinnvoll oder abschaffungswürdig einzustufen, sondern ihre Erforderlichkeit muss im gesetzgeberischen Gesamtkontext bewertet werden. So hat die Abschaffung eines Gesetzes oder eines Paragraphen oftmals direkte und weitreichende Auswirkung auf ein anderes Gesetz und dessen Regelungswirkung. Der losgelöste Wegfall einer Bestimmung kann somit dazu führen, dass andere Vorschriften ihren vom Gesetzgeber intendierten Zweck nicht mehr erfüllen können.
Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass bereits im derzeitigen Gesetzgebungsverfahren für den von Ihnen angesprochenen Fall, dass nach der Verabschiedung eines Gesetzes negative Folgewirkung der Regelung auftreten, die Möglichkeit für eine Nachbesserung oder Korrektur besteht und – falls nötig – das Gesetz auch wieder aufgehoben werden kann. Ferner kann der Gesetzgeber, wie aktuell im Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beabsichtigt, einen so genannten Überprüfungsvorbehalt normieren, der zu einer Befristung und von Gesetzes wegen statuierten Prüfung der Praxistauglichkeit und verfassungsrechtlichen Konformität einer Regelung (z.B. nach drei Jahren) führt.
Daher würde ich auch einem gesetzabschaffenden Referendum nicht zustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth, MdB

dialog-2015 an Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth (MdB/CDU) – Gesetzesabschaffendes Referendum
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Dr. Flachsbarth,,
vielen Dank für Ihre inhaltlich ausführlichen und verständlichen Darlegungen.
Wir erlauben uns auf die von Ihnen angesprochenen Positionen noch einmal zu erwidern, um in Folge eine etwaige Diskussion zu diesem Thema innerhalb der CDU/CSU Fraktion trotz Ihrer geäußerten Bedenken anzuregen.
a) Verfassungsgerichtsbarkeit
Es ist ohne Frage eine große Errungenschaft unseres Rechtsstaates, dass vom Parlament beschlossene Gesetze nach deutschem Verfassungsprozessrecht einer abstrakten Normenkontrolle unterzogen werden können. Auch gut ist es, dass Entscheidungen einer Regierung nicht nur parlamentarisch, sondern verfassungsrechtlich kontrollierbar sind. Beides führt zu einer wichtigen politischen Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Sie ist gewollt, vorteilhaft, und deshalb beizubehalten. Die Verfassungsgerichtsbarkeit unseres Landes wird inzwischen allerdings in einer Weise missbraucht, die verfassungsgerichtliche Entscheidungen zu gefährden droht. Gründe hierfür sind, dass die Opposition die Verfassungsgerichtsbarkeit zur Fortsetzung eines im Parlament verlorenen Kampfes nutzt und die Regierung nebst ihrer Mehrheiten eigentlich selbst zu tragende Entscheidungsverantwortung auf das Verfassungsgericht abschiebt. In Folge müssen sich Verfassungsrichter mit Themen der Mindestversorgung von Asylbewerbern, der Bundeswehr als weltweite Interventionsarmee, dem direkten Zugriffsrecht europäischen Gremien auf nationale Haushaltsmittel beschäftigen, um nur einige Verfahren der letzten Monate zu benennen.
Die Zustimmung des Souveräns für eine derartige Beschlagnahme des Verfassungsgerichtes ist nicht gegeben, da weitreichende politische Entscheidungen nicht von demokratisch an die Zustimmungsbereitschaft der Wählerschaft rückgebundenen Parlamentariern getroffen werden, sondern von unabhängigen Verfassungsrichtern. Eine sich immer stärker aufzeigende Verschiebungen der Zuständigkeiten vom Parlament auf das Verfassungsgericht ist somit nicht akzeptabel und aus demokratischer Sichtweise illegitim.
b) Populismus
Der Fingerzeig auf einen erstarkenden Populismus in Verbindung mit der Erweiterung plebiszitären Instrumenten in unserem repräsentativen Demokratiegefüge ist eine bezeichnende „Alibiangst“. Wir leben nicht mehr in den 20iger und 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Unser Leben spielt sich unter deutlich anderen Lebensumständen als zu Zeiten der Weimarer Republik ab. Nichts gegen den Intellekt unserer Groß- und Urgroßeltern, aber es sind über 80 Jahre vergangen und unser Zeitgeist hat sich augenscheinlich doch etwas weiterentwickelt.
Darstellungen eines aufblühenden Populismus im Zusammenhang mit Volksentscheiden, vor allem unter Verweis auf Ausschnitte unserer Geschichte, wie es von manchen Ihrer Kollegen mit Fingerzeig auf die Weimarer Republik gern zelebriert wird, sind demzufolge kein Argument.
Es ist ein Irrglaube, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes plumpen Populisten so auf den Leim gehen, dass diese populistischen Ausrichtungen in Folge die hohe Hürde eines Quorums für ein Begehren erfüllen und mit einem zustimmenden Referendum zum Erfolg kommen würden.
Außerdem – und das können wir nur immer und immer wieder betonen -, bietet Populismus, insofern es sich tatsächlich um einen solchen handelt, die ideale Plattform, um politisch korrekt, sachlich orientiert und ursachenreduzierend gegensteuern zu können. Herr Prof. Dr. Patzelt welcher, wie wir in unserer Bürgeranfrage aufgeführt haben, der wissenschaftliche Verfechter eines gesetzabschaffenden Referendums ist, stellt hierzu fest:
[…] Es ist durchaus nicht verwegen, auch in stabilen repräsentativen Demokratien ohne sonderliche Erfahrungen mit plebiszitären Instrumenten demokratie- und bürgerschaftskultivierende Wirkungen dieser Art zu erwarten, und es ist nicht erforderlich, von vornherein vom schlimmsten Fall auszugehen, wonach plebiszitäre Instrumente ganz einfach Populismus und Demagogie entfesseln oder zu inkonsistenter Politik führen müssen. Gegen beides ist auch der Parteienwettbewerb vor und nach Parlamentswahlen nicht gefeit! Welche „Kultur des Plebiszitären“ aber wirklich entsteht, wird im Einzelfall einesteils davon abhängen, ob die eingeführten plebiszitären Instrumente eine für repräsentative Demokratie hilfreiche Ausgestaltung erfahren, und andernteils davon, wie konstruktiv und sinngemäß die für die Prüfung der Zulässigkeit einer je konkreten Verwendung plebiszitärer Instrumente zuständigen Personen und Institutionen bei ihren Entscheidungen und deren Begründung verfahren […]
c) Plebiszitäre Formen der Staatswillensbildung kein „Mehr“ an Demokratie
Der Ansatz des Vorschlages für ein gesetzabschaffenden Referendums liegt darin begründet, dass Politik dem Bürger nicht mehr verständlich erklärt wird. Wegen der fehlenden Erklärungen, warum politische Entscheidungen getroffen werden, welche Vor- oder Nachteile sich daraus ergeben können und in welche Richtung sich unser Land bewegt, resigniert ein Großteil der Bevölkerung mit dem Argument, „…Die da oben machen doch ohnehin, was sie wollen, und wir hier unten können daran sowieso nichts ändern…“.
Die Politiker wiederum zeigen sich über ein derartiges Bürgerverhalten verwundert, verärgert und oft auch beleidigt, da diese der Meinung sind, tagtäglich alles zum Wohl des Volkes zu tun.
Letztgenanntes ist gefühlt auch zutreffend, aber eine Abgeordneteninternetseite, diverse monatliche Bürgersprechstunden und vereinzelte öffentliche Auftritte reichen nicht aus, um dem Volk Politik und deren Ziele erklärbar zu machen.
Die Abgeordneten des Bundestages werden an dieser Stelle natürlich auch allein gelassen, da unsere Medien hier zwischenzeitlich kollektiv versagen. Vor allem der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten, in diesem Zusammenhang entsprechend zu agieren, wird leider nicht erfüllt. Die Lücke oder besser definiert der Graben zwischen Volk und Politik ist zwischenzeitlich so groß, dass Journalisten und Medien auch gar nicht mehr in der Lage sind, diesen zu schließen.
Politik vermittelt spätestens seit Beginn der Finanz- und Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 den Eindruck einer Hetzjagd und einer Hochhausbaustelle, deren Architekten und Statiker das Handtuch geworfen haben, aber trotzdem mit Hochdruck weiter Etage auf Etage gebaut wird, in der Hoffnung, das Bauwerk kippt nicht um. Dieser Eindruck führt zusammen mit einem gewaltigen Informationsdefizit zu dieser für Politiker nicht begreifbaren Unzufriedenheit der Bürger, welche ersatzweise auch Politikverdrossenheit genannt wird.
Fragt man die Bürgerinnen und Bürger, warum sie unzufrieden sind, bekommt man allerdings in den wenigsten Fällen eine Antwort. Oftmals sind es kleinkarierte Probleme, die eigentlich nichts mit der großen Politik zu tun haben, oder Scheinprobleme, die vom Hören und Sagen anderer herrühren. Aber, was fast jeder aus dem bürgerlichen Lager bestätigt, die Angst vor der Zukunft ist allgegenwärtig. Angst davor, dass unsere politischen Akteure Fehler machen und Politik nur noch für einige wenige gemacht wird und am Volk vorbei läuft.
Ja und dort liegt das eigentliche Problem. Diese Angst basiert darauf, dass dem Volk nichts mehr erklärt wird. Der Souverän hat seit Jahren das Gefühl, stetig vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
Unsere repräsentative Demokratie ist an dieser Stelle ernsthaft gefährdet und die Politik ist gefordert, hier dringend gegenzusteuern.
Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen verstehen, dass die demokratischen Werte in diesem unserem Land nur erhalten werden können, wenn man die Bürgerinnen und Bürger politisch direktdemokratisch einbindet.
Eine Einbindung nach dem Schweizer Vorbild, darüber besteht Einigkeit, ist nicht umsetzbar. Fest steht auch, dass wie bereits erwähnt, die Strukturen der repräsentativen Demokratie, welche unserem Land in den letzten 60 Jahren zu Wohlstand und dauerhaften Frieden verholfen hat, alternativlos sind und hier entsprechend auch keine Veränderungen, sondern lediglich Anpassungen, durchgeführt werden müssen.
Was dringend angepasst werden muss, ist erstens der wechselseitige (!) Informationsfluss zwischen Volk und Politik.
Zweitens muss auf Grund der Tatsache, dass es immer mehr Berufspolitiker mit fehlenden alltagsberuflichen und basisorientierten Erfahrungen im Parlament gibt, politische Entscheidungen aber immer kompakter und unkalkulierbarer werden, zusätzlich ein „Sicherungsventil“ in die Gesetz Mechanismen eingebaut werden, welches eine Korrektur etwaiger Fehlentscheidungen ohne parteipolitisches und parlamentarisches Planspiel zulässt.
Beide Positionen würde ein gesetzabschaffendes Referendum ohne Probleme in sich vereinen.
Versteht das Volk bestimmte Entscheidungen nicht, kommt es zum Begehren. Das Begehren ist dann ein Alarmzeichen an die Politik, in Sachen Erklärungsnotstand oder Nachbesserungsbedarf dringend zu handeln. Versagt die Politik an dieser Stelle oder wurde, was eher die Ausnahme (!) sein wird, tatsächlich ein Gesetz oder Rechtsgut verabschiedet, welches dem Volk so stark schadet, dass eine Begehren das hohe Quorum erfüllt, muss die Konsequenz eines Referendums in Kauf genommen werden.
Da vor einem derartigen Referendum, wie bereits aufgeführt, aber immer ein Volksbegehren mit einer entsprechend langen Vorlaufzeit und einem hohen Quorum steht, verschafft die Dauer des Begehrens den politisch Handelnden ein absichtlich gewolltes Zeitfenster. Diese Zeit muss durch die Politikerinnen und Politiker unseres Landes für den Fall eines Begehrens, bei welchem sich tatsächlich das Zustandekommen eines Referendums abzeichnet, unter anderem dafür genutzt werden, den Souverän grundsätzlich über die etwaige Folgen einer etwaigen Gesetzabschaffung aufzuklären.
Die Politik kann so versuchen, Informationslücken, welche möglicherweise zu einem fehlenden oder gar falschen Verständnis der politischen Entscheidungen und somit zu einem Begehren geführt haben, gegenüber dem Souverän zu schließen, oder mit einem modifizierten Handeln den Versuch unternehmen, dem Willen des Volkes entgegenzuwirken, um das Erreichen des Quorums und folglich das Zustandekommen eines Referendums zu vermeiden.
Damit schließt sich automatisch auch der zwischenzeitliche überall feststellbare Graben zwischen Politik und Bürgern.
Wir hatten gegenüber Ihren Kolleginnen und Kollegen bereits mehrfach dargelegt, dass es nach unserer Auffassung in den wenigsten Fällen tatsächlich zu einem gesetzabschaffenden Referendum kommen wird, da spätestens mit dem Aufleben eines Volksbegehrens, das ein gesetztes Quorum erreichen könnte, das politische Gegensteuern beginnt.
Beide Seiten, also Volk und Politik, würden sich durch die Erweiterung unserer repräsentativen Demokratie mit der Möglichkeit gesetzabschaffender Referenden wieder annähern und vor allem disziplinieren.
Herr Prof. Dr. Patzelt auf welchen wir uns abschließen noch einmal berufen wollen hat hierzu als bestellter Gutachter gegenüber dem Verfassungs- und Rechtsausschusses des Sächsischen Landtages am 24.06.2015 unter anderem wie folgt ausgesagt:
[…] Einführung des gesetzesaufhebenden Referendums.
a) Es ist entspricht nicht nur dem Rang des Volkes als gleichberechtigtem Gesetzgeber, sondern ist auch um der Demokratie willen wünschenswert, ein gesetzesaufhebendes Referendum einzuführen.
- Erstens erschwert das gesetzesaufhebende Referendum sogar einer im Parlament übermächtigen Regierungsmehrheit das „Durchregieren“ gegen Wünsche des Volkes, die sich in einer Abstimmungsmehrheit ausdrücken. Das minderte in demokratieförderlicher Weise jene „Arroganz der Macht“, die sich immer wieder – vor allem: nach Regierungswechseln – einzustellen pflegt.
- Zweitens zwingt die Möglichkeit eines gesetzesaufhebenden Referendums die Opposition politisch immer wieder zum Nachweis von Behauptungen dahingehend, die Regierungsmehrheit stelle sich mit einem bestimmten Gesetzgebungsvorhaben in einen Gegensatz zur Bevölkerung. Das erlegt auch der Opposition einen gewissen Realitätsdruck auf, weil auch sie damit rechnen muss, sich bei einem gesetzesaufhebenden Referendum nicht durchsetzen zu können.
- Drittens eröffnet das gesetzesaufhebende Referendum einen weiteren Weg, einen im Parlament verlorenen politischen Konflikt neu auszufechten.
Bislang ist die Opposition darauf angewiesen, politisch Abgelehntes zum verfassungsrechtlichen Streitgegenstand zu machen. Wer aber ein Gesetz vor das Verfassungsgericht bringt, erntet Verfassungsrechtsprechung, die im Lauf der Zeit die parlamentarischen Gestaltungsspielräume immer mehr einengt. Ferner wirken abstrakte Normenkontrollverfahren auf viele Bürger so, als wolle ein Teil der politischen Klasse sehenden Auges die Verfassung brechen. Beides tut repräsentativer Demokratie nicht gut.
Das gesetzesaufhebende Referendum hingegen brächte – um den Preis eines einzugehenden politischen Risikos – einen im Parlament verlorenen politischen Konflikt vor das Volk als alternativen Gesetzgeber. Das entspräche voll dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie, wonach das Parlament das erste Wort haben muss, das Volk aber das Recht auf das letzte Wort hat.
b) Nicht der Stärkung direkter Demokratie dient es allerdings, wenn ein gesetzesaufhebendes Referendum nicht vom Volk selbst herbeigeführt werden kann.
- Auf diese Weise wird das Volk – obschon doch gleichberechtigter Gesetzgeber – einfach zum „Mündel des Parlaments“ gemacht. Es darf laut vorliegendem Gesetzentwurf durch einen Volksantrag nur darum bitten, das Parlament möge über die Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes debattieren, hat aber keine Möglichkeit, die Entscheidung über das Inkrafttreten eines Gesetzes selbst herbeizuführen.
- Ferner wird gerade der zentrale Vorteil direktdemokratischer Instrumente nicht erreicht, wenn es Abgeordneten anvertraut ist, ein gesetzesaufhebendes Referendum herbeizuführen. Der Demokratie willen herbeizuführen ist nämlich solche politische Kommunikation, die sich in der Zivilgesellschaft im Streit um eine reale Entscheidungsfrage entwickelt. Genau zu diesem Zweck müssen direktdemokratische Instrumente so ausgestaltet sein, dass die Diskussion um ihre Nutzung in erster Linie im Volk geführt wird – und nicht vor allem in den Reihen der politischen Klasse.
- Genau letzteres wäre aber der Fall, wenn die vergleichsweise wenigen Abgeordneten von ein, zwei (Oppositions-) Fraktionen untereinander zur Vereinbarung kämen, es solle ein gesetzesaufhebendes Referendum durchgeführt werden. Deshalb ist eine solche Herbeiführung des gesetzesaufhebenden Referendums abzulehnen.
c) Besser wäre eine Regelung der folgenden Art:
- Ein gesetzesaufhebendes Referendum kann nie vom Parlament, sondern nur vom Volk herbeigeführt werden, und zwar durch Volksantrag auf Durchführung eines gesetzesaufhebenden Referendums. Das erweiterte im Grunde nur die im Gesetzentwurf ohnehin vorgesehenen Inhalte von Volksanträgen.
- Für diesen Volksantrag wäre ein Prozentsatz der Abstimmungsberechtigten zwischen einem Prozent (wie für den normalen Volksantrag vorgesehen) und fünf Prozent (wie für einen Volksentscheid im Volkgesetzgebungsverfahren verlangt) festzulegen
- Dieser Prozentsatz sollte so angesetzt werden, dass zwar gesetzesaufhebende Volksabstimmungen praktisch herbeiführbar sind, diese Hürde aber einen inflationären und die Gesetzgebungstätigkeit lähmenden Gebrauch dieses direktdemokratischen Instruments ausschlösse.
- Es ist erforderlich, in der Verfassung eine Frist für die Sammlung der erforderlichen Unterschriften festzulegen. Es böten sich 100 Tage an […]
Da unsere Bürgeranfrage vorerst einen grundsätzlichen Dialog mit den Bundestagsabgeordneten sucht und bestrebt ist, bisherig eingenommen Positionen einer Überdenkung zuzuführen, bitten wir Sie, sich die Zeit zur nochmaligen Überarbeitung unseres Grundanliegens zu nehmen.
Ihr Fraktionskollege Arnold Vaatz, MdB hat den Vorschlag unserer Initiative aufgenommen und sich bereit erklärt, nach notwendiger Zuarbeit, welche wir hoffen bis 20.07.2015 liefern zu können, dass aufgeworfenen Thema Fraktionsintern einer Diskussion zuzuführen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie diesbezüglich mit Ihrem Fraktionsvize Herrn Arnold Vaatz, MdB ins Gespräch kommen.
Vorerst verbleiben wir in positiver Erwartung
Mit freundlichen Grüßen
Reiko Beil
Initiative Dialog-2015

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Quelle: dialog-2015 vom 26.06.2015