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Chancen und Risiken von TTIP für Europa und die USA
Chancen und Risiken von TTIP für Europa und die USA – Foto: © Olaf Kosinsky/Lizenziert: CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Commons

E-Mail an Arnold Vaatz (MdB/CDU)

TTIP Freier Handel – Wohlstand für alle oder Gewinn für wenige?

Sehr geehrte Herr Vaatz,

ich möchte mich bei Ihnen im Namen unserer Initiative für die Einladung zur gestrigen vorgenannten Veranstaltung in Ihrem Wahlkreis bedanken.

In unserem nächsten Blog, welcher so es die Zeit erlaubt, in den kommenden Tagen erscheint, werden wir inhaltlich noch einmal umfangreicher auf diese Veranstaltung eingehen. Bereits jetzt bleibt allerdings auf die Schnelle einiges festzuhalten.

Ihnen ein Lob. Sie wirken volksnah, authentisch und haben augenscheinlich nicht verlernt wo Sie herkommen. Sie geben sich Mühe und das vorrangig als Mensch und nicht als Politiker. Dafür Respekt! Das sollten sich einige Ihrer Kollegen in Berlin mehr denn je bei Ihnen abschauen.

Allerdings hat sich bei Ihrer Veranstaltung das Politikbild unserer Initiative einmal mehr gefestigt. Da sitzen auf dem Podium eng vereint und sich gegenseitig lobend der Unternehmer Ralf-Peter Busse, welcher seine Geschäfte in Amerika macht, der amerikanische Botschafter John B. Emerson, die Bundespolitiker Arnold Vaatz sowie Andreas Lämmel und sind sich im Grundsatz einig. Der Politiker Vaatz lobt den Unternehmer Busse, dieser wiederum lobt die Politik und alle zusammen werben für TTIP […]

[…] Der Unternehmer Busse hat das Problem TTIP und den eigentlich den Grundgedanken der Veranstaltung „…Wohlstand für alle oder Gewinn für wenige?…“ dennoch grandios auf den Punkt gebracht.

Er hat in bunten Farben erzählt, welche einmaligen Chancen der amerikanische Markt bietet und das es einfacher wäre diesen Markt zu erobern, wenn unterschiedliche zeit- und kostspielige Zertifizierungsvorschriften mit TTIP fallen. Die Zölle von unter 1 % sah er hierbei nicht als Problem an. Das aber nur als Randbemerkung, weil die Bundesregierung in ihrem Werben für TTIP den Wegfall von Einfuhrzöllen als Argument aufführt.

Der Unternehmer Busse führte auf, dass seine Waren auf dem amerikanischen Markt begehrt und konkurrenzlos sind. Auf Grundlage dieser Argumentation stellt sich die Frage, warum der Unternehmer Busse die Zeit- und Kostenaufwendungen für die in den USA notwendige Zertifizierung, bei seinen konkurrenzlosen und nach eigenen Angaben der Zeit um 10 Jahre vorauseilenden Produkten, nicht in seine Kostenkalkulation einrechnet. Dafür benötigt ein guter Kaufmann kein TTIP, vor allem nicht wenn er nach eigener Aussage mit konkurrenzlosen Produkten handelt und mit dem amerikanischen Markt betraut ist.

Der Unternehmer Busse hat diese Frage im Fortgang seiner Ausführungen selbst beantwortet. Er stellte in seinen Darlegungen fest, dass seine Firma Profit machen muss um weiter existieren zu können. Die derzeitigen zusätzlichen Zertifizierungsaufwendungen verringern aber seinen Profit.

Bis dahin könnte man noch sagen, dass geht in Ordnung, denn Herr Busse ist ja Unternehmer. Er macht mehr Profit und zahlt dafür höhere Steuern in Deutschland, was wiederum dem Allgemeinwohl zu Gute kommt und alles ist in bester Ordnung.

Jetzt kommt aber der Haken an der Geschichte. Ich habe den Unternehmer Busse gestern Abend bewusst gefragt, wo er, wenn denn die Handelsbeschränkungen mit den USA durch TTIP weggefallen, Arbeitsplätze schaffen und investieren wird.

Herr Busse antwortete: „…Der Markt hier (Anm. Deutschland/Europa) ist zu 99% gesättigt. Wir finden keinen Absatz mehr. Um unsere Waren verkaufen zu können müssen wir exportieren. Natürlich wird es auf Dauer zu teuer unsere Produkte von Deutschland aus mit Containern in die USA zu verschiffen. Entsprechend werden wir dort (Anm. USA) dann Arbeitsplätze schaffen müssen. Etwaig verbleibt aber die Produktion der Steuerteile am jetzigen Standort in Deutschland…“

Der nette amerikanische Botschafter Emerson strahlte, von Ihnen auf Grund der äußeren Sitzposition nicht sichtbar, bei diesen Worten des Unternehmers Busse über beide Ohren. Warum wohl?

Kommt TTIP öffnet sich für den Unternehmer Busse der amerikanische Markt ohne zusätzliche Kosten- und Zeitaufwendungen für Zertifizierungen. Das vom Unternehmer Busse als minimal bezeichnete 1% Zoll auf seine Produkte entfällt dann auch noch und der Profit seiner Firma steigt. Hiergegen ist, wie bereits aufgeführt nichts einzuwenden.

Der Unternehmer Busse hat für seine 60 Arbeitnehmer Aufträge herangeschafft, die Arbeitsplätze sind gesichert und die steigenden Steuerabgaben durch den höheren Profit verbleiben in Deutschland.

Binnen kurzer Zeit werden dem Herrn Busse trotz seines bisherig konkurrenzlosen Produktes allerdings die ersten Wettbewerber innerhalb der USA in die „Quere“ kommen. Diese werden anfangen direkt vor Ort, also in den USA zu produzieren, um vor allem die Kosten der Logistik zu senken und den ohnehin am Boden liegenden Arbeitsmarkt in den USA wegen der niedrigeren Lohnkosten ausnutzen. Staatliche Subventionen zur Ansiedlung auf amerikanischen Boden werden die Sache dann abrunden.

Der Unternehmer Busse wird innerhalb kürzester Zeit trotz größter Heimatverbundenheit gezwungen sein, da nach eigener Aussage in Deutschland und Europa kein Markt mehr vorhanden ist, es dem Wettbewerb gleichzutun. Er wird also sein Kerngeschäft an den Ort des Absatzes in die USA verlegen um nicht Gefahr zu laufen, in Deutschland Pleite zu gehen.

Ob für Herrn Busse daraus Wohlstand erwächst bleibt abzuwarten, wir in Deutschland haben im Fall des Unternehmers Busse jedenfalls nichts vom Freihandel Namens TTIP. Versteuern wird Herr Busse seine Unternehmensgewinne in Zukunft am Ort der Geschäftstätigkeit, also in den USA, Arbeitsplätze entstehen in den USA und das Know-how in Form der guten alten deutschen Ingenieurskunst, wandert ebenfalls ab in die USA.

Na warum hat der Botschafter Emerson wohl so gestrahlt?

Der Lobbyist und Unternehmer Busse steht hier als grandioses Beispiel für die gesamte deutsche Wirtschaft. Wobei der Unternehmer Busse als Mittelständler für sein unternehmerisches Handel mit der Existenz haftet.

Die Vorstände und Aufsichtsräte der großen multinationalen Konzerne haften mit nichts. Diese sind nur darauf aus, Überproduktionen auf dem amerikanischen Markt zu drücken und die Produktionslinien in diese Richtung zu verlagern, da wie sagte der Unternehmer Busse treffend, der Markt hier zu 99% gesättigt ist und über allem der Profit steht.

Machen Sie sich bitte die Mühe und lesen Sie den Blog vom 01.04.2015 auf der Ihnen bekannten Seite dialog-2015.de. Es ergeben sich erstaunliche Parallelen.

TTIP wird keinen Wohlstand bringen und der etwaige Gewinn wird sich eine Zeit lang auf die Vorstandsetagen der multinationalen Konzerne verteilen. Vielleicht bleibt auch dem Unternehmer Busse ein kleines Stück des Kuchens. Der amerikanische Arbeitsmarkt dürfte einen kleinen Ruck bekommen, allerdings wird sich dieser in Grenzen halten, da auch der Absatzmarkt in den USA endlich ist.

Arbeitsplätze in Deutschland oder ein etwaiges Wirtschaftswachstum wird es nicht geben, da die wenigen positiven Effekte dem Wettbewerb zum Opfer fallen.

Das drum herum mit Rückleuchten, Chlorhühnchen und der Herabsetzung von Standards ist nur Blendwerk zur Beschäftigung der Bevölkerung. Das ist Spielerei, denn jeder kann selber entscheiden was er kauft und was nicht. Das wissen Sie so gut wie ich.

Ich verlasse mich auf Ihren Schlusssatz Herr Vaatz. TTIP muss überlegt sein. Das Abwandern der deutschen Wirtschaft auf einen kurzlebigen neuen amerikanischen Absatzmarkt ist zu verhindern. Wenn sich neue Märkte erschließen müssen diese unumwunden weiter von Europa aus bedient werden.

Insofern unsere Wirtschaft auf Grund von besseren Steuersätzen, billigeren Arbeitskräften, höheren Subventionen u.v.m. mit einem Wegfall der Handelsbarrieren, lieber in Amerika investiert, haben wir hier überhaupt nichts gekonnt.

Das die Amerikaner bei uns investieren werden ist eher nicht anzunehmen, denn wie sagte der Unternehmer Busse noch einmal treffend: „…Der hiesige Markt ist zu 99% gesättigt…“.

TTIP darf keine Schnellschussaktion werden. Wir haben schon genug Baustellen in Deutschland und Europa und benötigen nicht schon wieder die Nächste!!!

Passen Sie bitte auf, nicht zu sehr den Verführungen der Lobbyisten zu unterliegen. Nur um die Lager der Industrie leer zu bekommen benötigen wir kein TTIP, dass löst die Probleme genau so wenig wie die derzeitige Geldpolitik der EZB.

Ach um auf Ihre Schlussworte zurückzukommen, dass Kind sollte weder in einen flachen noch in eine tiefen Brunnen fallen. Es sollte davor bewahrt werden, überhaupt auf die Versuchung zu kommen über den Rand des Brunnens zu steigen.

Damit verbleibe ich mit den besten Wünschen für ein erholsames Wochenende.

Mit freundlichen Grüßen

Reiko Beil

Email von Reiko Beil an Arnold Vaatz (MdB/CDU)
Email von Reiko Beil an Arnold Vaatz (MdB/CDU)

Link zum Beitrag:

Quelle: dialog-2015 vom 10.04.2015


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